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BGH zur Vorleistungspflicht des Auftragnehmers! – Vorkassen-Regelung in AGB des Auftragnehmers ist unwirksam!

08. Mai 2014

Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Lieferanten einer Einbauküche „Der Kaufpreis ist spätestens bei Anlieferung der Kaufgegenstände ohne Abzug zu bezahlen.“ ist unwirksam. Dies entschied der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 07.03.2013.
Wer je eine Einbauküche hat planen, herstellen, liefern und einbauen lassen, dürfte das Problem kennen: Bis endgültig alles passt, kann viel Zeit verstreichen und ist viel Geduld erforderlich. Besonders schlechte Karten hat, wer den Kaufpreis bereits bei Anlieferung vollständig bezahlt und sich damit des effektivsten Druckmittels beraubt hat.

Sachverhalt:

Die Auftraggeberin beauftragte den Auftragnehmer mit Planung, Herstellung und Einbau einer Küche zu einem Preis von 23.800 Euro. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers zugrunde, welche die Auftraggeberin verpflichteten, spätestens bei Anlieferung die gesamte Vergütung zu bezahlen. Nach Vertragsschluss und vor Lieferung vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin abweichend von den Bedingungen nur 21.300 Euro im Voraus zu zahlen hatte und 2.500 Euro bis zum mangelfreien Einbau der Küche zurückbehalten durfte. Letztendlich behielt die Auftraggeberin jedoch 5.500 Euro ein, da die Arbeiten nicht fachgerecht ausgeführt wurden. Der Küchenbauer verweigerte daraufhin die Mängelbeseitigung mit der Begründung, die Auftraggeberin habe nur 2.500 und nicht 5.500 EUR einbehalten dürfen. Bis zur Restzahlung sei er nicht zur Mängelbeseitigung verpflichtet.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof gab der Auftraggeberin Recht. Er führte aus, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers vereinbarte Verpflichtung, die gesamte Vergütung im Voraus zu zahlen, mit wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes nicht zu vereinbaren und deshalb unwirksam sei. Sowohl beim Werk- als auch beim Kaufvertrag sei der Auftragnehmer vorleistungspflichtig. Dies ergebe sich beim Werkvertrag aus § 641 Absatz 1 Satz 1 BGB, wonach der Werklohnanspruch erst mit der Abnahme des Werks entsteht. Und im Kaufrecht könne der Verkäufer den Kaufpreis nur Zug um Zug gegen Lieferung und falls – wie hier – außerdem die Montage vereinbart worden ist gegen Montage einer mangelfreien Sache verlangen. Deshalb dürfe weder der Unternehmer beim Werkvertrag noch der Verkäufer beim Kaufvertrag eine Mängelbeseitigung von der vorherigen vollständigen Bezahlung der Vergütung abhängig machen. Eine von der Vorleistungspflicht des Auftragnehmers abweichende Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers dahin gehend, dass zumindest der wesentliche Teil des Kaufpreises bzw. Werklohns spätestens bei Lieferung zu zahlen ist, benachteilige den Kunden auch deshalb unangemessen, weil ihm im Falle des mangelhaften Einbaus jedes Druckmittel genommen werde.

Interessant und praxisrelevant waren außerdem die Aussagen des Bundesgerichtshofs zu der Auffassung des Auftragnehmers, die Regelung in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei durch die nachträgliche Abänderung dahingehend, dass die Auftraggeberin 2.500 Euro bis zum mangelfreien Einbau zurückhalten durfte, zu einer Individualvereinbarung geworden und damit der Inhaltskontrolle des AGB-Rechtes entzogen worden. Dies sah der Bundesgerichtshof anders: Eine nachträgliche Vereinbarung, mit der der Lieferant dem Besteller das Recht einräumt, einen Teilbetrag bis zum mangelfreien Einbau der Küche zurückzubehalten, ändere an der Unwirksamkeit der Klausel grundsätzlich nichts. Die Klausel verliere ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung nicht allein dadurch, dass sie von den Parteien nachträglich geändert wird. Vielmehr müsse die nachträgliche Änderung in einer Weise erfolgen, die es rechtfertigt, sie wie eine von vornherein getroffene Individualvereinbarung zu behandeln. Das sei nicht der Fall, wenn der Verwender auch nach Vertragsschluss dem Vertragspartner keine Gestaltungsfreiheit eingeräumt und den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel nicht zur Disposition gestellt hat.

Da der Bundesgerichtshof die Vorleistungspflicht des Auftragnehmers sowohl beim Werkvertrag als auch beim Kaufvertrag bejahte und das darin enthaltene Gerechtigkeitsgebot in beiden Fällen als formularmäßig nicht abänderbar ansah, musste er nicht darüber entscheiden, ob es sich im vorliegenden Fall um einen Kauf- oder Werkvertrag handelte. Dennoch gab er seine Auffassung dazu wie folgt kund: „Das Berufungsgericht qualifiziert den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Lieferung und den Einbau der hier geschuldeten Einbauküche als Werkvertrag (§ 631 BGB) und nicht als Kaufvertrag im Sinne von § 651 BGB. Der Senat neigt dazu, dieser Bewertung zuzustimmen, da es das Ziel des Vertrages war, auf der Grundlage der handwerklichen Fachkenntnisse der Beklagten durch Einbau und Einpassung in das Haus der Klägerin einen funktionalen Küchenraum zu schaffen und die dazu notwendigen Montage- und Bauleistungen dem Vertrag die maßgebliche Prägung geben.“

Praxishinweis:

Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall betraf einen Verbraucher. Auf den b2b-Bereich lässt sich dieses Urteil deshalb nicht ohne weiteres übertragen. Allerdings spricht die Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofs, in welcher er vor allem auf die Leitbildfunktion der kauf- und werkvertraglichen Regelungen zur Vorleistungspflicht des Auftragnehmers abstellt, dafür, dass eine formularmäßige erhebliche Abänderung der Vorleistungspflicht auch zwischen Unternehmen kritisch zu sehen ist.

Tipp:

Bei der Frage, wie viel als angemessenes Druckmittel zurückbehalten werden darf, gilt § 641 Absatz 3 BGB: Kosten der Behebung des Mangels x 2. Es darf also im Normalfall das Doppelte der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten einbehalten werden.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2013 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens VII ZR 162/12.