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Mindestlohngesetz und Auftraggeberhaftung

27. Mai 2015

Wer meint, das Mindestlohngesetz (MiLoG) betreffe nur das Verhältnis Arbeitgeber /Arbeitnehmer irrt. Dieses zum 01.01.2015 erlassene Gesetz kann auch für Sie als Auftraggeber einschneidende Folgen haben! Denn das MiLoG eröffnet Arbeitnehmern der von Ihnen beauftragten Auftragnehmer sowie Arbeitnehmern von weiteren Subunternehmern die Möglichkeit, sich bei Nichtzahlung des Mindestlohnes direkt an Sie als Auftraggeber zu wenden!

Hintergrund

§ 13 MiLoG (mit Verweis auf § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz) regelt eine sehr weitgehende Haftung von Auftraggebern für Mindestlohnverpflichtungen von Auftragnehmern, deren Subunternehmern sowie von Verleihunternehmen. Diese Haftung ermöglicht es den Arbeitnehmern von Fremdfirmen ihre Mindestlohnansprüche (in Höhe des Nettomindestlohns) auch direkt gegen den Auftraggeber geltend zu machen. Die Haftung des Auftraggebers ist dabei nicht auf das jeweils nächste Glied in einer Subunternehmerkette begrenzt. Auftraggeber haften also nicht nur bei Verstößen des eigenen Vertragspartners, sondern bei Verstößen aller Subunternehmer in der Kette. Insofern können auch Arbeitnehmer eines »Nach-Nachunternehmers« unmittelbar den letztverantwortlichen Auftraggeber in Anspruch nehmen.

Durch diese Regelung können für Sie als Auftraggeber kaum übersehbare Haftungsfolgen ausgelöst werden!

Zwar können Sie möglicherweise bei Ihrem Auftragnehmer Regress nehmen. Im Insolvenzfall wird dieser Regressanspruch allerdings oft ins Leere laufen.

Gilt die Haftung für alle Auftraggeber oder nur für Generalunternehmer?

Derzeit ist allerdings noch ungeklärt, ob sich die Haftung nach § 13 MiLoG lediglich auf Generalunternehmer oder auf alle Auftraggeber bezieht. Zwar ist § 13 MiLoG mit den Worten „Haftung des Auftraggebers“ überschrieben. Im Schrifttum wird jedoch zum Teil die Meinung vertreten, dass der Wortlaut Auftraggeberhaftung nicht als Haftung des Auftraggebers, sondern lediglich als Generalunternehmerhaftung zu verstehen sei. Dabei wird auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 1a Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) alte Fassung verwiesen. Diese Regelung war die Vorgängerbestimmung zu § 14 AEntG. Sie war jedoch explizit auf die Baubranche zugeschnitten, was bei § 13 MiLoG bzw. § 14 AEntG nicht der Fall ist. Deshalb wird im Schrifttum auch die Meinung vertreten, für die Haftung aus § 13 MiLoG bzw. § 14 AEntG würde die Beschränkung auf den Generalunternehmer nicht gelten, was wiederum zur Folge hätte, dass § 13 MiLoG bzw. § 14 AEntG für alle Auftraggeber gilt. Gegen eine Beschränkung der Haftung auf Generalunternehmer spricht auch eine Passage in der Gesetzesbegründung zum MiLoG, nach der eine Haftung des „Auftraggebers […], insbesondere eines Generalunternehmers“ gewollt ist. Der Zusatz „insbesondere“ deutet darauf hin, dass sich die Haftung nach § 13 MiLoG nicht auf eine Generalunternehmerhaftung beschränkt.
Solange die Rechtslage noch dermaßen ungeklärt ist, müssen alle Auftraggeber von Dienst- oder Werkleistungen jedenfalls mit einer Haftung aus dem MiLoG rechnen.

Diese Haftung kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Es handelt sich um eine verschuldensunabhängige Haftung. Deshalb haften Sie auch bei Unkenntnis über den Verstoß Ihres Auftragnehmers gegen das MiLoG .

Es drohen auch bußgeldrechtliche Sanktionen!

Neben der zivilrechtlichen Haftung des Auftraggebers drohen auch erhebliche Bußgelder. Nach § 21 Abs. 2 MiLoG handelt ordnungswidrig, wer Werk- oder Dienstleistungen in erheblichem Umfang ausführen lässt, indem er als Unternehmer einen anderen Unternehmer beauftragt, von dem er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass dieser bei der Erfüllung dieses Auftrags den gesetzlichen Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt oder Nachunternehmer einsetzt oder zulässt, dass ein Nachunternehmer tätig wird, der den gesetzlichen Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 500.000,00 Euro geahndet werden.

Was können Sie tun, um sich vor dieser weitgehenden Haftung zu schützen?

Es empfiehlt sich, vertragliche und organisatorische Schutzmechanismen zu implementieren, die das Mindestlohnrisiko minimieren.
Empfehlungen für die vertragliche Gestaltung:

1. Verpflichtungserklärung vom Auftragnehmer

Vor allem auch im Hinblick darauf, dass die fahrlässige Unkenntnis des Auftraggebers von der Mindestlohnunterschreitung eine Ordnungswidrigkeit mit der Folge erheblicher Bußgelder darstellt, sollten Sie sich zumindest vom Auftragnehmer versichern lassen, dass er die Pflichten aus dem MiLoG (ggf. auch AEntG) erfüllt. Zum Schutz gegen Ihre Bürgenhaftung auf Zahlung des Mindestlohnes reicht eine solche Zusicherung allerdings nicht, auch wenn sie das Risiko der Inanspruchnahme auf den Mindestlohn möglicherweise etwas vermindert.

Deshalb sind je nach Risiko weitere Schutzmechanismen sehr sinnvoll:

2. Kein Ausschluss des Auftragnehmers von öffentlichen Aufträgen

So können Sie sich vom Auftragnehmer bestätigen lassen, dass er nicht nach § 19 MiLoG von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen ist.

3. Begrenzung in der Weitergabe von Leistungen an Dritte

Außerdem empfiehlt sich gegebenenfalls der vertragliche Ausschluss der Beauftragung von Subunternehmern oder die Vereinbarung einer ausdrücklichen Zustimmung Ihrerseits zu deren Beauftragung. Für den Fall Ihrer Zustimmung sollten Sie Ihre Auftragnehmer wiederum verpflichten, bei der Einschaltung von Verleihern und Nachunternehmern ihrerseits adäquate Vertragsstandards im Hinblick auf den Mindestlohn vorzusehen, um eine Auftraggeberhaftung in der Leistungskette unwahrscheinlicher zu machen.

3. Vereinbarung von Freistellungsregelungen im Hinblick auf den Mindestlohn.

Verpflichten Sie Ihren Auftragnehmer, Sie bei Inanspruchnahme durch Arbeitnehmer des Auftragnehmers oder durch die ZVK von Ihrer Haftung nach §§ 13 MiLoG und 14 AEntG freizustellen, und zwar auch für den Fall, dass Mitarbeiter der durch den Auftragnehmer eingesetzten Nachunternehmer oder Verleiher oder die ZVK (wegen nicht abgeführter Urlaubsbeiträge durch vom Auftragnehmer eingesetzte Nachunternehmer oder Verleiher) Sie nach §13 MiLoG und/oder § 14 AEntG in Anspruch nehmen.

4. Überprüfung des Auftragnehmers durch Vorlage von Bescheinigungen

Um die Einhaltung des MiLoG durch den Auftragnehmer weitestgehend sicherzustellen, empfiehlt sich die Vereinbarung der regelmäßigen Vorlage von Nachweisen, aus denen sich die Zahlung von Mindestlöhnen ergibt. Zu denken ist z.B. an anonymisierte Lohnlisten.
Eine weitere – wenn auch ebenfalls recht aufwendige – Möglichkeit zur Kontrolle besteht darin, Ihren Auftragnehmer zur regelmäßigen Vorlage von Bescheinigungen zu verpflichteten, in welchen die Arbeitnehmer Ihres Auftragnehmers bestätigen, dass sie den Mindestlohn erhalten.
Die Durchsetzung der Vorlagepflicht kann durch eine Vertragsstrafe abgesichert werden oder durch die Vereinbarung eines außerordentlichen Kündigungsrechts für den Fall, dass die vereinbarten Nachweise nicht vorgelegt werden.

5. Kündigungsrecht bei Nichtzahlung des Mindestlohns

Es empfiehlt sich weiterhin die Vereinbarung, dass Sie berechtigt sind, den Vertrag fristlos zu kündigen, wenn der Auftragnehmer schuldhaft gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns verstößt und dass Sie in diesem Fall berechtigt sind, den noch nicht erbrachten Teil der Leistung zu Lasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen.

6. Wirtschaftliche Absicherung einer möglichen Haftung

Als wirtschaftliche Absicherung können Sicherheitseinbehalte bei der Bezahlung oder die Stellung einer Bürgschaft vereinbart werden. Hinsichtlich der zulässigen Höhe und Dauer der Bürgschaft fehlt es leider an Rechtsprechung. Die Gefahr, dass Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers über vom Auftragnehmer zu erbringende Sicherheitsleistungen von einem Gericht für unwirksam erachtet werden, ist umso größer je höher der Betrag der Sicherheiten ist. Die Verpflichtung zur Stellung von Sicherheiten sollte sich daher an den vom Auftraggeber zu tragenden, möglichst rechnerisch ermittelten Risiken orientieren. Anderenfalls droht die Gefahr, dass wegen unangemessener Benachteiligung des Aufragnehmers die Vertragsregelungen zur Sicherheitsleistung unwirksam ist. Dies gilt insbesondere auch bei Kumulation von mehreren vereinbarten Sicherheiten (beispielsweise bei gleichzeitiger Vereinbarung von Gewährleistungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften).

7. Vereinbarung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Auftragnehmers

Geregelt werden sollten außerdem für den Falle der Inanspruchnahme aus §13 MiLoG Auskunfts- und Mitwirkungspflichten Ihrer Auftragnehmer, die es Ihnen ermöglichen, sich gegebenenfalls gegen »fremde« Mindestlohnklagen zu verteidigen.

Wählen Sie Ihre Vertragspartner sorgfältig aus!

Der größte Schutz vor einer Inanspruchnahme durch Arbeitnehmer von Drittfirmen liegt sicherlich in einer sorgfältigen Auswahl zuverlässiger Auftragnehmer.
Im Hinblick auf die weitreichenden Konsequenzen des MiLoG kann nur davor gewarnt werden, Angebote anzunehmen, deren kalkulatorische Grundlagen bereits den Verdacht aufkommen lassen, dass der zu beachtende Mindestlohn nicht gezahlt wird bzw. nicht gezahlt werden kann. Ansonsten laufen Sie Gefahr, dass sich zunächst eingesparte Kosten ins Gegenteil verkehren!