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„Untergeschobene“ Änderungen in einer Annahmeerklärung lässt der Bundesgerichtshof nicht gelten!

27. Februar 2015

Abweichungen in der Bestellung vom Angebot oder in der Auftragsbestätigung von der Bestellung gehören schon fasst zum „Alltagsleben“ eines Einkäufers. Doch wie sind solche Diskrepanzen rechtlich zu bewerten?

Ein Vertrag kommt grundsätzlich erst dann zustande, wenn die Annahmeerklärung dem Angebot vollständig entspricht. So sieht es jedenfalls das Gesetz, welches in § 150 Absatz 2 BGB explizit regelt, dass eine Annahme unter Änderungen rechtlich keine Annahme ist, sondern im Gegenteil die Ablehnung des Angebots verbunden mit der Unterbreitung eines neuen Angebots. Doch was gilt, wenn der Annehmende in seiner Annahmeerklärung die Änderungen so gut versteckt, dass sie dem Anbietenden gar nicht auffallen?
Mit dieser sehr praxisrelevanten Frage hatte sich der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung vom 14.05.2014 auseinanderzusetzen.

Sachverhalt

Der Auftragnehmer einer Bauleistung machte die vereinbarte Vergütung von 68.000 Euro gelten. Der Vergütungsanspruch selbst war zwischen den Parteien unstreitig. Der Auftraggeber rechnete jedoch mit einem Kostenvorschussanspruch wegen Mängel aus einem vorausgegangenen Bauvorhaben auf. Gegen diese Aufrechnung wehrte sich der Auftragnehmer mit Verweis auf einen ausdrücklichen Aufrechnungsausschluss im Vertrag, den der Auftragnehmer selbst in die ihm zugesandte Fassung des Vertragsentwurfs eingearbeitet hatte. Diese Änderung war allerdings für den Auftraggeber – jedenfalls auf Anhieb – nicht zu erkennen. Der Auftragnehmer hatte im Vertragsentwurf des Auftraggebers die Bestimmungen zur Zahlungsweise gelöscht und stattdessen mit identischem Schrifttyp einen anderen Text eingefügt. Dieser Text enthielt unter anderem die Regelung, dass Verrechnungen aus früheren Bauvorhaben der Parteien nicht vorgenommen werden dürfen. Den so veränderten Vertrag sandte der Auftragnehmer dem Auftraggeber mit folgenden Anschreiben zurück: „Anbei erhalten Sie die beiden Exemplare des Bauvertrags … unterschrieben zu Ihrer weiteren Verwendung zurück. Wir möchten Sie bitten, ein Exemplar unterschrieben an uns zurückzusenden.“ Nach telefonischer Absprache von bis dahin noch ungeklärten Terminen änderte der Auftraggeber diese Termine in dem Vertragsentwurf handschriftlich ab, zeichnete den Vertrag gegen und sandte ein Exemplar zurück.
Der Auftraggeber machte vor Gericht geltend, er habe die vom Auftragnehmer vorgenommenen vertraglichen Änderungen gar nicht zur Kenntnis genommen. Sie seien ihm „untergeschoben“ worden.

Vor dem Oberlandesgericht Celle hatte der Auftragnehmer zunächst Erfolg. Das Oberlandesgericht ließ das Aufrechnungsverbot gelten. Der Auftragnehmer habe den Vertragsentwurf des Auftraggebers nicht angenommen, sondern durch die Änderungen abgelehnt und seinerseits ein neues Angebot erstellt. Da der Auftraggeber dieses Angebot durch Unterzeichnung angenommen habe, sei das Aufrechnungsverbot Vertragsinhalt geworden.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Dies sah der Bundesgerichtshof allerdings anders:

Abweichungen in der Annahmeerklärung müssen kenntlich gemacht werden!

Auch im Rahmen von § 150 Abs. 2 BGB seien die Grundsätze von Treu und Glauben anzuwenden. Diese erfordern – so der Bundesgerichtshof – , dass der Empfänger eines Vertragsangebots, wenn er von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen will, dies in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt. Zwar hätte der Auftraggeber die Änderungen des Vertragstextes ohne Weiteres erkennen können, wenn er den vom Auftragnehmer unterzeichneten Vertragstext insgesamt durchgelesen und mit seinem Vertragsentwurf verglichen hätte. Doch bestand für den Auftraggeber nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zu einer solchen Überprüfung im Hinblick auf den vom Auftragnehmer vermittelten Eindruck, er habe das Vertragsangebot unverändert unterschrieben, keine Veranlassung.
Anders könne – so der Bundesgerichtshof – die Rechtslage allerdings zu beurteilen sein, wenn die Parteien über die vom Auftragnehmer vorgenommenen Änderungen verhandelt hätten. Denn dann hätte der Auftraggeber mit deren Aufnahme in den Vertragstext rechnen müssen.

Sind Abweichungen nicht zu erkennen, gilt das ursprüngliche Angebot!

Spannend war dann noch die Frage, wann und wie nun der Vertrag zustande gekommen ist. Dazu der Bundesgerichtshof: Ist die Abweichung vom Angebot aus der Sicht des Anbietenden nicht hinreichend deutlich zu erkennen, so kommt der Vertrag zu den Bedingungen des unveränderten Angebots zu Stande.
Damit war der Passus zum Aufrechnungsausschluss nicht Vertragsbestandteil geworden und der Auftraggeber deshalb zur Aufrechnung mit seinem Kostenvorschussanspruch berechtigt.

Praxishinweis

Der Auftraggeber hat Glück gehabt. Auf ein solches Glück sollten Sie sich allerdings besser nicht verlassen und vom Auftragnehmer zurückgesandte Vertragsentwürfe vor Unterzeichnung sorgfältig auf mögliche Abänderungen prüfen. Denn zunächst zählt das, was in dem von beiden unterzeichneten Vertrag drin steht. Auf den „Rettungsanker“ Treu und Glauben sollte man tatsächlich nur im Notfall zurückgreifen müssen.
Dennoch hat das Urteil des Bundesgerichtshofs große Praxisrelevanz. Denn nicht selten werden auch in Auftragsbestätigungen Änderungen von der Bestellung vorgenommen, die mangels sorgfältiger Prüfung durch den Auftraggeber nicht erkannt werden. Hier kann das dargestellte Urteil im Streitfall doch sehr hilfreich sein.
Und umgekehrt gilt natürlich auch für Sie: Nehmen Sie selbst in Ihrer Bestellung Änderungen vom Angebot vor, sollten Sie angesichts dieses Urteils darauf achten, dass Sie – jedenfalls wenn sich die vorgenommene Änderung nicht klar und deutlich aus der Bestellung selbst ergibt – auf die vorgenommene Änderung explizit hinweisen.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.05.2014 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens VII ZR 334/12.