Aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs: Muss der Verkäufer bei mangelhafter Lieferung auch die Einbaukosten übernehmen?
Mit Urteil vom 16.7.2008 hat der BGH in einer sehr praxisrelevanten Rechtsfrage endlich Klarheit geschaffen:
Seit in Kraft treten der Schuldrechtsreform ist es ausgesprochen umstritten, in wie weit ein Händler bei mangelhafter Lieferung auch für die Ein- und Ausbaukosten aufkommen muss.
Das OLG Karlsruhe hatte mit Urteil vom 02.09.2004 sehr käuferfreundlich entschieden und dem Käufer sowohl die Ein- als auch die Ausbaukosten zugesprochen. Dagegen hatte das OLG Köln mit Urteil vom 21.12.2005 entschieden, dass der Fliesenhändler nur die Ausbaukosten, nicht jedoch die Einbaukosten tragen müsse.
Der BGH hat sich nunmehr der Auffassung des OLG Köln angeschlossen und klargestellt, dass der Händler zwar für die mangelhaften Materialien neue, einwandfreie Ware liefern muss. Deren Einbau muss er aber nur erstatten, wenn er den Materialmangel zu vertreten hat!
Sachverhalt
Dem Urteil des BGH lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Käufer erwarb von einem Holzhändler Parkettstäbe, die er durch einen von ihm gesondert beauftragten Parkettleger verlegen ließ. Später lösten sich große Teile der Parkettlamellen ab. Ursache war ein Produktionsfehler – die nicht ausreichende Verklebung der Parkettstäbe – im Werk des Herstellers. Der Käufer verlangte von dem Holzhändler den kompletten Austausch des Parkettbodens. Der Holzhändler erstattete dem Käufer jedoch lediglich die Kosten des Ausbaus der mangelhaften, vom Kläger nicht bezahlten Parkettstäbe. Mit seiner Klage machte der Käufer die Kosten für die Verlegung neuer Parkettstäbe geltend.
Entscheidung:
Wie schon bereits die Vorinstanzen wies auch der BGH diesen Anspruch zurück.
Der Einbau der neuen mangelfreien Sache gehört nicht zu den Nacherfüllungskosten!
Der Holzhändler war nach Ansicht des BGH nicht verpflichtet, im Wege der Nacherfüllung nach § 439 BGB neben der Lieferung mangelfreier Parkettstäbe auch deren Verlegung zu übernehmen. Schließlich habe die Pflicht zur Verlegung auch bei der ursprünglichen Lieferung nicht bestanden. Auch aus § 439 Absatz 2 BGB, wonach der Verkäufer die Kosten der Nacherfüllung, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen hat, ergebe sich nichts anderes. Es handele sich bei diesen Aufwendungen nur um solche, die erforderlich sind, um die Nacherfüllung durchzuführen. Zur Nacherfüllung gehörten aber nun mal nicht die Einbaukosten, sondern lediglich die Verschaffung von Besitz und Eigentum an einer mangelfreien Sache.
Einbaukosten als Schadensersatz scheitern an fehlendem Verschulden!
Auch ein auf Erstattung dieser Kosten gerichteter Schadensersatzanspruch wegen Lieferung mangelhafter Stäbe nach §§ 280 ff. BGB kommt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht in Betracht. Zwar handele es sich bei den doppelt entstehenden Kosten für die Verlegung zunächst der mangelhaften und dann der mangelfreien Parkettstäbe um einen dem Käufer entstandenen Schaden. Dieser Schaden sei auch aufgrund der Pflichtverletzung des Händlers (mangelhafte Lieferung) entstanden. Der Anspruch aus § 280 ff. BGB setze jedoch voraus, dass diese Pflichtverletzung schuldhaft erfolgt ist. Ein Verschulden des Holzhändlers liegt nach Ansicht des BGH jedoch im vorliegenden Fall nicht vor: Für den Holzhändler sei der Mangel der vom Hersteller verpackt gelieferten Parkettstäbe nicht erkennbar gewesen. Insofern sei ihm kein eigenes Verschulden vorzuwerfen. Ein etwaiges Verschulden des Herstellers der Parkettstäbe sei dem Holzhändler auch nicht nach § 278 BGB zuzurechnen, da der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers sei.
Gehören die Ausbaukosten zu den Nacherfüllungskosten?
Da der Holzhändler die Ausbaukosten „freiwillig“ übernommen hatte, waren diese nicht mehr Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Deshalb ist die Frage, ob der Verkäufer im Wege der Nacherfüllung auch den Ausbau und die Entsorgung der mangelhaften Sache schuldet noch nicht endgültig geklärt.
Die Oberlandesgerichte Karlsruhe, Köln und Frankfurt haben die Ausbaukosten bisher als Nacherfüllungskosten angesehen. Die Formulierung des BGH in seinem Leitsatz „Der Verkäufer mangelhafter Parkettstäbe schuldet im Zuge der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung (§ 439 Absatz 1 BGB) nur die Lieferung mangelfreier Parkettstäbe, das heißt die Verschaffung von Besitz und Eigentum an einer mangelfreien Kaufsache (§ 433 Absatz 1 BGB)“ könnte darauf schließen lassen, dass auch die Ausbaukosten nicht zur Nacherfüllung gehören. Der BGH wird allerdings auch hier wohl bald für Klarheit sorgen, da gegen die Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil vom 14.02.2008 – 15 U 5/07) die Revision vor dem Bundesgerichtshof zugelassen wurde.
Konsequenzen für die Einkaufs- und Verkaufspraxis:
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich auch auf Kaufverträge im B2B-Bereich übertragen. Es ist nicht zu erwarten, dass der Bundesgerichtshof im kaufmännischen Verkehr eine andere Auffassung zum Umfang der Nacherfüllung vertreten wird. Ein größerer Spielraum besteht allerdings möglicherweise bei der Beurteilung des Verschuldens des Händlers. So wäre z.B. denkbar, dass der Verkäufer bei hochwertigen oder anfälligen Produkten die Sachen zumindest stichprobenweise überprüfen muss. Jedenfalls dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Mängeln vorliegen, könnte ein Verschulden des Händlers gegeben sein, wenn er dennoch keinerlei Untersuchung der Ware vornimmt.
Vertragliche Regelungen zu den Einbaukosten
Möglicherweise werden Einkäufer künftig versuchen, vertraglich zu regeln, dass der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung auch die Einbaukosten zu tragen hat. Individualvertraglich wäre dies sicherlich wirksam. Als Allgemeine Geschäftsbedingung wird eine entsprechende Vereinbarung nach der nunmehr klaren Aussage des Bundesgerichtshofs der AGB-Kontrolle wahrscheinlich nicht standhalten.
Werkverträge anstelle von Kaufverträgen!
Eine Möglichkeit für den Einkäufer, das erhebliche Risiko eines wegen Mangelhaftigkeit erforderlich werdenden Aus- und Neueinbaus auf den Vertragspartner abzuwälzen ist ggf. auch der Abschluss eines Werkvertrages statt eines Kaufvertrages. Hätte sich der Käufer z.B. in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die Parkettstäbe nur ausgesucht, aber nicht gekauft und dann den Parkettleger beauftragt, das ausgesuchte Parkett selbst zu beschaffen und zu liefern, hätte der Anspruch des Käufers auf Nachbesserung auch die Aus- und Neueinbaukosten mit umfasst.
Insbesondere bei Bauvorhaben ist deshalb für die Einkäuferseite eine Aufspaltung in Materialkaufvertrag und Werkvertrag über den Einbau des gekauften Materials nicht zu empfehlen, wenn nicht besondere Gründe wie z.B. erhebliche Preisnachlässe vorliegen!
Das Urteil des Bundesgerichtshofs können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens VIII ZR 211/07.