Aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zum Mangelbegriff: Der Auftragnehmer schuldet auch die Funktion eines Werkes!
Mit Urteil vom 08.11.2007 hat sich der Bundesgerichtshof erstmals mit dem im Wege der Schuldrechtsreform neu gefassten Mangelbegriff auseinandergesetzt und dabei für die Praxis wichtige Grundsätze aufgestellt. Konkret ging es um folgenden Fall:
Sachverhalt:
Der Eigentümer eines Forsthauses, welches nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen war, beauftragte im Jahr 2002 einen Installateur, eine Heizungsanlage einzubauen und diese an ein von einem anderen Unternehmer errichtetes Blockheizkraftwerk anzuschließen. Nach Ausführung der Arbeiten rügte der Eigentümer die Heizungsanlage als mangelhaft und verweigerte die Abnahme, weil das Haus nicht ausreichend erwärmt wurde. Dies hing wiederum damit zusammen, dass das Blockheizkraftwerk wegen des geringen Strombedarfs des Hauses nicht ausreichende Abwärme für die Heizungsanlage produzierte. Mit seiner Klage verlangte der Installateur den restlichen Werklohn in Höhe von Euro 10.152,68. Der Eigentümer des Forsthauses erklärte den Rücktritt und machte die Rückzahlung von bereits gezahltem Werklohn in Höhe von Euro 19.280 geltend.
Entscheidung des BGH:
Während die Vorinstanzen Landgericht und Oberlandesgericht München noch davon ausgingen, dass ein Mangel der Heizungsanlage nicht vorläge, wenn die Heizungsanlage bei ausreichender Wärmeversorgung für sich gesehen tauglich sei, das Haus zu beheizen, sah dies der Bundesgerichtshof ganz anders: Zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des neu gefassten § 633 Absatz 2 Satz 1 BGB gehören nach Auffassung des BGH alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung der Vertragspartner den geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Dieser Erfolg bestimmt sich nicht nur nach der vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern insbesondere auch danach, welche Funktion das Werk entsprechend dem Willen der Vertragspartner erfüllen soll. Im vorliegenden Fall hat die Heizungsanlage die Funktion, das Haus ausreichend zu beheizen. Dieser Gebrauchszweck ist jedoch nicht erfüllt mit der Folge, dass die vom Installateur errichtete Heizungsanlage mangelhaft ist. Dabei ist es nach Auffassung des BGH ohne Bedeutung, dass die mangelnde Funktion der Heizungsanlage ausschließlich darauf zurückzuführen ist, dass das Blockheizkraftwerk keine ausreichende Wärme zur Verfügung stellt. Denn ein Werk ist auch dann mangelhaft, wenn es deshalb nicht funktioniert, weil eine vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Leistung eines anderen Unternehmers unzureichend ist. Allerdings wird in diesem Fall der Unternehmer von seiner Mängelhaftung frei, wenn er seiner Prüfungs- und Hinweispflicht nachgekommen ist. In diesem Zusammenhang stritten die Parteien darüber, ob der Installateur hätte erkennen können, dass das Kraftwerk für die Wärmeversorgung nicht ausreichend ist. Das OLG München hatte hierzu entschieden, dass der Hauseigentümer die Beweislast für die Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht trage. Er habe den ihm obliegenden Beweis insoweit aber nicht geführt. Auch dies sieht der BGH anders: Nach seiner Auffassung liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht beim Unternehmer! Denn die Erfüllung dieser Pflicht befreit den Unternehmer von der Mängelhaftung und muss deshalb auch von ihm dargelegt und bewiesen werden. Kann er dies nicht beweisen, bleibt er für den Mangel verantwortlich und muss seine Leistung nachbessern.
Allerdings kann der Unternehmer seine Nachbesserungspflicht wiederum nur erfüllen, wenn der Auftraggeber ihm die geeignete Vorleistung zur Verfügung stellt. Das bedeutet im konkreten Fall, dass der Auftraggeber für die Heizungsanlage eine geeignete Wärmequelle installieren lassen müsste. Dies hatte der Inhaber des Forsthauses jedoch weder getan noch angeboten. Insofern war die von Seiten des Eigentümers gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung wirkungslos, da es an der von Auftraggeberseite erforderlichen Mitwirkungshandlung fehlte. Sollte der Forsthausinhaber sich endgültig entschlossen haben, keine für die Heizungsanlage geeignete Wärmequelle installieren zu lassen, wäre hierdurch die Erfüllung des Vertrages unmöglich geworden. Dann wird der Installateur der Heizungsanlage von seiner Leistungspflicht frei. Und wie sieht es dann mit seinem Anspruch auf Vergütung aus? Hier verweist der BGH auf § 326 Absatz 2 BGB, wonach der Installateur einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung hat, sich allerdings die ersparten Aufwendungen anrechnen lassen muss sowie den Gewinn den er anderweitig erzielt hat oder den zu erwerben er böswillig unterlassen hat. Der BGH sieht es insoweit auch als interessengerecht an, dass der Besteller diejenigen Nachteile hinnehmen muss, die dadurch entstehen, dass er den Unternehmer zu einem Zeitpunkt beauftragt hat, in dem er noch nicht sicher sein kann, dass er die Vorleistung in geeigneter Weise zur Verfügung stellen kann.
Abschließend weist der BGH allerdings noch darauf hin, dass möglicherweise eine Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht vorliegen könnte, wenn der Unternehmer bereits bei Vertragsschluss die Ungeeignetheit der Vorleistung hätte erkennen können. Dies wiederum könnte dazu führen, dass der Besteller so zu stellen ist, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden.
Der BGH verwies die Entscheidung zurück an das Oberlandesgericht München, welches nunmehr unter Beachtung der vom BGH entschiedenen Beweislastverteilung darüber zu entscheiden hat, ob der Heizungsinstallateur seine Prüfungs- und Hinweispflicht erfüllt hat. Weiterhin wird das OLG München zu entscheiden haben, ob der Installateur die konzeptionelle Ungeeignetheit des Blockheizkraftwerks infolge unzureichender Stromabnahme bereits bei Vertragsabschluss hätte erkennen müssen und dementsprechend eine vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt hat.
Fazit:
Der BGH legt den Mangelbegriff im Sinne eines funktionalen Mangelbegriffs sehr weit und damit vorteilhaft für den Auftraggeber aus. Andererseits entlässt er den Auftraggeber und dessen Vorunternehmer auch nicht aus der Verantwortung.
Als Überblick hier noch einmal die für Sie wichtigsten Entscheidungssätze:
- Ein Werk entspricht auch dann nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn es nicht die vereinbarte Funktionstauglichkeit aufweist.
- Ein Werk ist auch dann mangelhaft, wenn die fehlende Funktionstauglichkeit auf einer unzureichenden Vorleistung eines anderen Unternehmers beruht.
- Der Unternehmer wird allerdings von seiner Mängelhaftung frei, wenn er seine Prüfungs- und Hinweispflicht erfüllt hat, d.h. wenn er den Auftraggeber auf die fehlende Funktionstauglichkeit wegen unzureichender Vorleistungen anderer Unternehmen hingewiesen hat. Die Beweislast für die Erfüllung dieser Pflicht trägt der Unternehmer.
- Hat der Unternehmer seine Prüfungs- und Hinweispflicht nicht erfüllt, so muss er das Werk nachbessern. Dies der Auftraggeber dem Unternehmer aber auch ermöglichen, indem er die Vorleistung entsprechend ändert.
- Entscheidet sich der Auftraggeber endgültig, die Vorleistung nicht zu verändern, wird der Unternehmer von seiner Leistungspflicht frei und behält trotzdem seinen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, allerdings unter Abzug der ersparten Aufwendungen und des anderweitig getätigten oder böswillig nicht getätigten Gewinns.
- Hätte der Unternehmer schon bei Vertragsschluss die Ungeeignetheit der Vorleistung erkennen können, kann dies zu einem Anspruch des Auftraggebers führen, so gestellt zu werden, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist im Internet abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de unter „Entscheidungen“ und dort unter dem Aktenzeichen VII ZR 183/05.