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BGH: § 16 Nr. 5 Absatz 3 VOB/B ist unwirksam, wenn der Auftraggeber Verwender der VOB/B ist und die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart wurde.

02. September 2010

Hintergrund:

Obwohl die einzelnen Regelungen der VOB Teil B Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB sind, findet gemäß § 310 Absatz 1 Satz 3 BGB dennoch keine Inhaltskontrolle statt, wenn die VOB Teil B als Ganzes ohne Abänderungen vereinbart worden ist (sogenannte Privilegierung der VOB/B). Grund hierfür ist die Tatsache, dass bei der Gestaltung der VOB/B die Interessenvertreter sowohl der Auftraggeber- als auch der Auftragnehmerseite vertreten sind und die VOB/B insgesamt als ausgewogen gilt. Diese Ausgewogenheit wird dadurch erreicht, dass manche Bestimmungen den Auftraggeber und andere dafür den Auftragnehmer bevorzugen. Der Auftraggeber wird z.B. bevorzugt durch § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B, wonach die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung durch den Auftragnehmer Nachforderungen von Seiten des Auftragnehmers ausschließt. Dagegen wird der Auftragnehmer z.B. durch § 13 Nr. 4 VOB/B besser gestellt, welcher anstelle der im Gesetz vorgesehenen Verjährungsfrist für Mängelansprüche von 5 Jahren nur eine Verjährungsfrist von 4 Jahren vorsieht (bzw. sogar von nur 2 Jahren bei maschinellen, elektronischen oder elektrotechnischen Anlagen ohne Wartungsvertrag mit dem Auftragnehmer).
Berücksichtigt man den Zweck der AGB-Kontrolle, nämlich das Ungleichgewicht, welches durch die Berücksichtigung der Interessen nur einer Seite entsteht, zu korrigieren, so wird klar, dass es bei der VOB/B – welche ja beide Interessen ausgewogen berücksichtigt – dieser Korrektur nicht bedarf. Dies kann aber andererseits immer nur dann gelten, wenn die VOB/B „als Ganzes“ vereinbart worden ist, denn nur die VOB als Gesamtwerk sorgt für einen gerechten Interessenausgleich. Werden dagegen z.B. durch Zusätzliche oder Besondere Vertragsbedingungen einzelne VOB/B-Regelungen abgeändert und hierdurch das in der VOB/B geschaffene Gleichgewicht zwischen den Auftraggeber- und Auftragnehmerinteressen gestört, so greift die Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB wieder ein. Dann findet bzgl. der einzelnen Regelung der VOB/B eine Inhaltskontrolle durch die §§ 305 ff. BGB statt.
Mit anderen Worten: Wenn Sie sich aus der VOB/B „die Rosinen rauspicken“, indem Sie die VOB/B vereinbaren, aber einzelne für Sie gegenüber dem Gesetz ungünstige Regelungen ausschließen oder abändern, hat dies zur Folge, dass die für Sie günstigen Regelungen aus der VOB/B der AGB-Kontrolle unterliegen. Genau das gleiche gilt natürlich auch für den Auftragnehmer, wenn er Verwender der VOB/B ist und in seinen Bedingungen von der VOB/B abweicht.
Da es gängige Praxis ist, die VOB/B nicht als Ganzes zu vereinbaren, sondern in den zusätzlichen Vertragsregelungen von ihr abzuweichen, unterliegen die Regelungen der VOB/B in der Praxis fast immer der AGB-Kontrolle. So auch in dem vom BGH entschiedenen Fall, in welchem der Auftraggeber zwar die VOB/B vereinbart hatte, aber in seinen vorrangigen Vertragsregelungen von dieser abgewichen war. Vor Gericht stritten die Parteien unter anderem um die Zahlung von Zinsen und in diesem Zusammenhang um die Wirksamkeit von § 16 Nr. 5 Absatz 3 VOB/B, welcher die Voraussetzungen des Zinsanspruchs regelt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof entschied mit Urteil vom 20.08.2009, dass § 16 Nummer 5 Absatz 3 VOB/B, wonach der Auftraggeber Verzugszinsen erst zahlen muss, wenn eine vom Auftragnehmer gesetzte angemessenen Nachfrist zur Zahlung fruchtlos verstrichen ist, wegen Verstoßes gegen § 307 BGG unwirksam sei. Denn mit dieser Regelung sei die Anwendung des § 286 Absatz 3 BGB ausgeschlossen, wonach der Zahlungsschuldner spätestens dann in Verzug gerät, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung zahlt. Mit dieser gesetzlichen Regelung solle der Eintritt des Verzugs vereinfacht werden, indem Verzugsansprüche nicht mehr davon abhängig gemacht werden, dass der Gläubiger den Schuldner zusätzlich mahnt. Davon weiche aber § 16 Nr. 5 Absatz 3 VOB/B gravierend ab, weil diese Regelung den Beginn der Verzinsung ohne weitere Handlung von Seiten des Gläubigers sogar ganz ausschließe. Ein berechtigtes Interesse daran sei nicht erkennbar.

Die Entscheidung des BGH vom 20.08.2009 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe der jeweiligen Aktenzeichen VII ZR 212/07.