BGH : Aufforderung zur „umgehenden“ Mangelbeseitigung gilt als Fristsetzung!
Hintergrund:
Nach dem seit der Schuldrechtsreform geltenden neuen Kaufvertragsrecht setzt das Recht des Käufers, den Kaufpreis zu mindern, zurückzutreten oder Schadensersatz statt der Leistung geltend zu machen voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Bekannt geworden ist diese Regelung unter dem sogenannten „Recht der zweiten Andienung“: Der Käufer kann zunächst nur Nacherfüllung, d.h. Nachbesserung oder Ersatzlieferung verlangen und erst wenn dies fehlschlägt (zwei vergebliche Nachbesserungsversuche) oder eine vom Verkäufer dem Käufer gesetzte Frist fruchtlos verstrichen ist, kann er mindern oder sich durch Rücktritt oder Schadensersatz statt der Leistung von dem Vertrag lösen. Diese Regelung hat schon so manchen Käufer seine Mängelansprüche gekostet, weil er aus Unkenntnis oder „Zeitmangel“ den Mangel selbst, z.B. über seine eigene Reparaturwerkstatt beseitigt hat, ohne dem Verkäufer zuvor eine Frist zu setzen (BGH Urteil vom 23.02.2005).
Mit Urteil vom 12.08.2009 hat der Bundesgerichtshof nunmehr zugunsten der Käuferseite die Anforderungen an die Fristsetzung erheblich heruntergeschraubt. Die Fristsetzung kann jetzt sozusagen „ohne Fristsetzung“ erfolgen.
Zum Sachverhalt:
Der Käufer eines PKW Mercedes SL 230 Pagode beanstandete beim Verkäufer ca. 3 Monate nach Abschluss des Kaufvertrages Mängel am Motor des Fahrzeugs. Er forderte den Verkäufer zur umgehenden Beseitigung dieser Mängel auf unter gleichzeitiger Ankündigung, anderenfalls eine andere Werkstatt mit der Reparatur zu beauftragen. Entgegen einer von seinem Mitarbeiter zunächst erteilten Zusage, sich um die Angelegenheit zu kümmern, meldete sich der Verkäufer in der Folgezeit nicht . Der Versuch des Käufers, den Verkäufer telefonisch zu erreichen, scheiterte. Daraufhin ließ der Käufer das Fahrzeug bei seiner Reparaturwerkstatt reparieren und verlangte beim Verkäufer Erstattung der Reparaturkosten in Höhe von Euro 2.192,09.
Entscheidung des BGH:
Im Gegensatz zu den Vorinstanzen, welche den Anspruch des Käufers wegen unterlassener Fristsetzung ablehnten, gestand der BGH zur Überraschung der Fachwelt dem Käufer den Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten zu. Während die Vorinstanzen die Auffassung vertreten hatten, dass die Aufforderung des Käufers an den Verkäufer, die geltend gemachten Mängel „umgehend“ zu beseitigen, keine ausreichende Fristsetzung darstelle, sah der BGH diese Aufforderung als ausreichend für eine Fristsetzung i.S.d. § 281 Absatz 1 BGB an:
„Für eine Fristsetzung gemäß § 281 Absatz 1 BGB genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht; der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht.“
Auch wenn das Urteil des BGH zur Auslegung des Begriffs „Fristsetzung“ etwas überraschend ist, entspricht es doch der Praxis. Vielen Käufern, insbesondere Verbrauchern ist nicht bewusst, dass sie zur Wahrung ihrer Rechte dem Verkäufer eine Frist setzen müssen. Wesentlich naheliegender ist es für den Käufer, vom Verkäufer eine unverzügliche Beseitigung des Mangels zu verlangen. Die Entscheidung des BGH lässt den Käufer also nicht ganz so leicht in die Falle eines „Formfehlers“ tappen. Außerdem entspricht das Urteil des BGH dem Gemeinschaftsrecht, da es nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bereits ausreicht, wenn der Käufer dem Verkäufer den Mangel anzeigt und der Verkäufer den Mangel nicht innerhalb einer angemessenen Zeit beseitigt.
Praxistipp:
Um unnötigen Diskussionen und Auslegungsstreitereien aus dem Weg zu gehen, sollten Sie zur sicheren Wahrung Ihrer Rechte nach wie vor eine angemessene Frist setzen, wenn Sie vom Kaufvertrag zurücktreten und/oder Schadensersatz statt der Leistung geltend machen wollen. Wenn Sie Ihrem Lieferanten einen konkreten Zeitraum oder Termin setzen, befinden Sie sich nach Ablauf dieser Frist auf der rechtlich sicheren Seite, um beispielsweise die Mehrkosten eines Deckungskaufs oder die Kosten der Ersatzvornahme geltend machen zu können. In jedem Fall aber sollten Sie sich den Beweis über den Zugang des Schreibens an den Verkäufer sichern, z.B. durch Rückbestätigung oder Einschreiben/Rückschein.
Die Entscheidung des BGH vom 12.08.2009 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens VIII ZR 254/08.