BGH : KFZ-Lieferung in anderer Farbe – wesentlicher Mangel?
Hintergrund:
Im Falle eines Mangels an der Kaufsache können Sie nur dann vom Kaufvertrag zurücktreten und/oder Schadensersatz statt der Leistung geltend machen, wenn der Mangel erheblich ist und deshalb eine erhebliche Pflichtverletzung von Seiten des Lieferanten vorliegt (§§ 323 Absatz 5 Satz 2, 281 Absatz 1 Satz 3 BGB) – so das Gesetz. Die Auslegung, ab wann ein Mangel als erheblich einzustufen ist, bleibt den Gerichten überlassen. Und so hat sich auch der Bundesgerichtshof mal wieder mit dieser Frage befasst und mit Urteil vom 17.02.2010 einige wichtige Hinweise für die Abgrenzung zwischen erheblichen und unerheblichen Mängeln gegeben.
Zum Sachverhalt:
Im konkreten Fall hatte der Käufer eines KFZ dessen Abnahme und Bezahlung verweigert, weil das von ihm in blauer Farbe bestellte KFZ in schwarzer Farbe geliefert worden war. Daraufhin wurde er auf Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verklagt.
Entscheidung des BGH:
Im Gegensatz zu den Vorinstanzen entschied der BGH, dass die Lieferung eines KFZ in einer anderen als der bestellten Farbe im Regelfall einen erheblichen Sachmangel und damit eine erhebliche Pflichtverletzung des Verkäufers darstellt. Dies gilt nach Auffassung des BGH selbst dann, wenn der Käufer vor Vertragsabschluss zunächst auch eine andere Fahrzeugfarbe in Betracht gezogen hatte. Im vorliegenden Fall hatte der Käufer zunächst ein KFZ in der Farbe schwarz oder blau gesucht und sich erst später bei der Bestellung auf blau festgelegt. Aus diesem Grund hatten auch die Vorinstanzen den Mangel nur als unerheblich eingestuft. Nicht jedoch der BGH: Auch wenn der Käufer vor Vertragsabschluss alternative Überlegungen zu Ausstattung und Farbe angestellt hat, sei im Kaufvertrag selbst eine eindeutige Wahl der Fahrzeugfarbe erfolgt. Damit liege eine klare Beschaffenheitsvereinbarung vor. Ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung indiziere aber bereits die Erheblichkeit der Pflichtverletzung.
Praxishinweis:
Der BGH hatte sich nicht zum ersten Mal mit der Erheblichkeit eines Mangels auseinander zu setzen. Dabei hat er schon verschiedene Abgrenzungskriterien aufgestellt. Bei der Entscheidung, ob Wassereintritt in ein KFZ einen erheblichen Mangel darstellt, orientierte er sich an der Frage, ob dieser Mangel für viele Interessenten ein Grund sein würde, vom Kauf Abstand zu nehmen (BGH Urteil vom 05.11.2008, Aktenzeichen VIII ZR 166/07). Beim Unfallauto stellte er maßgeblich auf die Reparaturkosten und die Höhe der verbleibenden Wertminderung ab. Im Falle eines Kraftstoffmehrverbrauchs legte der BGH einen Grenzwert von 10% fest (BGH Urteil vom 08.05.2007, Aktenzeichen VIII ZR 19/05). Auch bei arglistigem Verschweigen eines Mangels könne man in der Regel von einer erheblichen Pflichtverletzung ausgehen (BGH Urteil vom 24.03.2006, Aktenzeichen V ZR 173/05). Diesem Kriterienkatalog fügte der BGH nunmehr durch seine o.g. Entscheidung ein weiteres Kriterium hinzu: Das Nichteinhalten einer vereinbarten Beschaffenheit indiziert in der Regel auch die Erheblichkeit der Pflichtverletzung.
BGH: Ist die Aussage eines Zeugen über den Inhalt eines Telefonats verwertbar, das er ohne Einwilligung des Gesprächspartners mitgehört hat?
In dem selben Urteil hatte der BGH noch über eine andere interessante Rechtsfrage zu entscheiden: Der Verkäufer stützte seine Klage unter anderem auf ein Telefonat mit dem Käufer, in welchem die Vertragsparteien sich angeblich auf die Lieferung eines schwarzen statt eines blauen KFZ geeinigt haben. Als Zeugin nannte der Kläger hierfür seine Ehefrau, welche das Gespräch mitgehört hatte. Entgegen dem Oberlandesgericht, welches seine Entscheidung unter anderem auch auf dieses Gespräch stützte, erklärte der BGH die Zeugenaussage der Ehefrau über das mitgehörte Gespräch als nicht verwertbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liege in der Erhebung und Verwertung der Aussage eines Zeugen, der ein Telefonat ohne Einwilligung des Gesprächspartners mitgehört hat, ein Eingriff in das durch das Grundgesetz geschützte Recht des Gesprächspartners am gesprochenen Wort. Dieser Persönlichkeitseingriff sei nicht durch das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Straf- und Zivilrechtspflege gerechtfertigt, da diesem Interesse im Rahmen der erforderlichen Abwägung kein höheres oder gleiches Gewicht zukomme. Nur in notwehrähnlichen Situationen wie die Anfertigung heimlicher Tonbandaufnahmen zur Feststellung der Indentität eines anonymen Anrufers oder zur Feststellung erpresserischer Drohungen oder den Fall eines auf andere Weise nicht abwehrbaren Angriffs auf die berufliche Existenz sei das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schützwürdig.
Die Entscheidung des BGH vom 17.02.2010 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens VIII ZR 70/07.