BGH: Konkludente Abnahme kann zu erheblichen Rechtsverlusten führen!
Mit Urteil vom 25.02.2010 stellt der BGH klar, dass es auch bei der sogenannten konkludenten Abnahme durch den Auftraggeber (auch schlüssige Abnahme genannt) zu einem Rechtsverlust wegen zum Zeitpunkt der Abnahme bereits bekannter Mängel kommen kann.
Hintergrund:
Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Abnahme auch ohne ausdrückliche Erklärung konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten des Auftraggebers, erfolgen. In seinem Urteil erläutert der BGH nochmals, wann eine solche konkludente Abnahme durch den Auftraggeber vorliegt: Der Auftraggeber muss gegenüber dem Auftragnehmer erkennen lassen, dass er dessen Werk als im Wesentlichen vertragsgerecht billigt. Erforderlich ist ein Verhalten des Auftraggebers, welches seinen Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig zum Ausdruck bringt. Nach dem BGH ist dabei immer der jeweilige Einzelfall zu bewerten.
In der Praxis kommt eine konkludente Abnahme durch den Auftraggeber vor allem in zwei Fällen in Betracht:
a) Der Auftraggeber nimmt die Leistung in Gebrauch. Erforderlich für eine konkludente Abnahme ist nach der Rechtsprechung allerdings eine gewisse Nutzungsdauer im normalen Gebrauch, so beispielsweise der Einzug in ein im wesentlichen fertiggestelltes Gebäude und dessen mehrwöchige Nutzung.
b) Der Auftraggeber bezahlt den Werklohn, wobei Abschlagszahlungen für eine konkludente Abnahme nicht genügen.
Warum ist die konkludente Abnahme für den Auftraggeber so gefährlich?
Das Gesetz knüpft an die Abnahme gravierende Rechtsfolgen und diese Rechtsfolgen trifft den Auftraggeber, ohne dass er diese bewusst und gewollt – wie im Falle der ausdrücklich erklärten Abnahme – herbeigeführt hat:
a) Die Gefahr der Zerstörung oder Beschädigung des Werkes geht mit der Abnahme auf den Auftraggeber über.
b) Die (restlichen) Zahlungsansprüche des Auftragnehmers werden fällig.
c) Die Beweislast hinsichtlich der Mängel geht auf den Auftraggeber über.
d) Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beginnt mit der Abnahme zu laufen.
e) Der Auftraggeber verliert möglicherweise seine Vertragsstrafenansprüche, denn deren Geltendmachung muss sich der Auftraggeber grundsätzlich auch bei der Abnahme vorbehalten (es sei denn der Auftraggeber hat diesbezüglich eine abweichende vertragliche Regelung im Rahmen seiner Vertragsstrafevereinbarung getroffen, z.B. dass die Vorbehaltserklärung bis zur Schlusszahlung erfolgen kann.)
f) Der Auftraggeber verliert seine Mängelansprüche für bei der Abnahme bereits bekannte Mängel (§ 640 Absatz 2 BGB)
Die zu letzt genannte Folge der Abnahme traf den Auftraggeber auch in dem vorliegenden, vom BGH entschiedenen Fall hart: In diesem Fall ging es um die Tragwerksplanung eines Statikers, welche von der ursprünglich vereinbarten Planungsgrundlage abwich. Die Auftraggeberin verlangte deshalb im Prozess die Herausgabe einer dem Vertrag entsprechenden Tragwerksplanung. Diesen Anspruch wies der BGH jedoch mit folgender Begründung zurück: In dem Verhalten der Auftraggeberin, die nach Fertigstellung der Leistung die Rechnung des Tragwerkplaners bezahlt hatte und mehrere Monate nach Einzug in das nahezu fertig gestellte Bauwerk keine Mängel der Tragwerksplanung gerügt hatte, sah der BGH eine konkludente Abnahme. Bereits vor dieser konkludenten Abnahme sei der Auftraggeberin der Mangel an der Tragwerksplanung, nämlich die Abweichung der übergebenen Tragwerksplanung von der ursprünglichen Vertragsgrundlage bekannt gewesen. Die Ansprüche wegen dieses Mangels habe sich die Auftraggeberin jedoch zum Zeitpunkt der konkludenten Abnahme nicht vorbehalten. Damit habe sie ohne Weiteres gemäß § 640 Absatz 2 BGB ihre Ansprüche auf Mängelbeseitigung verloren.
Praxishinweis:
Besondere Vorsicht ist bei der konkludenten Abnahme durch die Ingebrauchnahme geboten, da insbesondere Anlagen in der Praxis häufig schon in Betrieb genommen werden, ohne dass der Auftraggeber damit schon die Abnahme erklären will. Um hier das Eintreten einer konkludenten Abnahme zu vermeiden, sollte der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer bereits bei der Inbetriebnahme schriftlich erklären, dass die Anlage (z.B. zur Verzugsvermeidung) jetzt schon in Betrieb genommen wird, dass eine Abnahme aber noch verweigert wird, da beispielsweise noch wesentliche Mängel vorhanden sind oder noch erhebliche Restarbeiten fehlen. Der Anspruch auf Beseitigung dieser Mängel bzw. Durchführung der Restarbeiten sollte dann auch während der Nutzung der Anlage konsequent weiter verfolgt werden.
Eine weitere Möglichkeit, die konkludente Abnahme zu vermeiden, besteht darin, dass Sie ausdrücklich auf die förmliche Abnahme bestehen, denn in diesem Fall kann auch aus der Ingebrauchnahme jedenfalls nicht so ohne weiteres auf Ihren Abnahmewillen geschlossen werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.10.2006 – 23 U 39/06) Hilfreich ist insofern auch die Vereinbarung einer förmlichen Abnahme im Vertrag. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Vertragsparteien auf die vereinbarte Förmlichkeit der Abnahme verzichten können, wobei auch dieser Verzicht wiederum formlos und insbesondere durch schlüssiges Verhalten erklärt werden kann. Ein solcher Verzicht kommt nach der Rechtsprechung in Betracht, wenn längere Zeit nach der Benutzung des Werks keine der Parteien auf die förmliche Abnahme zurückkommt. Der BGH verlangt allerdings zusätzlich, dass aus diesem Verhalten auf einen Verzichtswillen des Auftraggebers geschlossen werden kann, was für den Auftragnehmer nicht so einfach darzulegen sein dürfte, zumal der BGH an diese Darlegung hohe Anforderungen stellt (BGH, NJW-RR 1999, 121; OLG Hamm, Urteil vom 17.06.2008 – 19 U 152/04)
Ergänzender Hinweis: Auch im Fall des Verlustes der Mängelansprüche wegen bereits bekannter Mängel bleiben dem Auftraggeber noch die Ansprüche auf Schadensersatz und wegen vergeblicher Aufwendungen erhalten, weil diese Ansprüche vom Rechtsverlust nach § 640 Absatz 2 BGB nicht erfasst werden.
Die Entscheidung des BGH vom 25.02.2010 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens VII ZR 64/09.