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Bundesgerichtshof kippt typische Klausel zum Aufrechnungsverbot!

10. August 2012

Aufrechnungsverbote finden Sie sowohl in Lieferbedingungen als auch in Einkaufsbedingungen sehr häufig. Diese lauten dann in etwa: „Aufrechnungsrechte stehen dem Besteller nur zu, wenn seine Gegenansprüche rechtskräftig festgestellt, unbestritten oder vom Auftragnehmer anerkannt sind.“ oder in Einkaufsbedingungen: „Aufrechnungsrechte stehen dem Auftragnehmer nur zu, wenn seine Gegenansprüche rechtskräftig festgestellt, unbestritten oder vom Besteller anerkannt sind.“

Eine solche Formulierung wurde bisher in der Rechtsprechung der Instanzgerichte für zulässig gehalten (z.B. OLG Hamm, IBR 2004,520 oder OLG Bamberg, IBR 2002,495). Der Bundesgerichtshof sieht dies allerdings anders und erklärte ein solches Aufrechnungsverbot für unwirksam.

Sachverhalt:

Ein Architekt klagte sein Honorar aus einem mit dem Bauherrn geschlossenen Architektenvertrag ein. Gegen den Honoraranspruch rechnete der Bauherr mit Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter Planung und Bauüberwachung auf. Der Architekt berief sich daraufhin auf folgendes in den Allgemeinen Vertragsbedingungen zum Architektenvertrag enthaltene Aufrechnungsverbot: „Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig“.

Urteil des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof gab dem Bauherrn recht. Der Architekt könne sich nicht auf das Aufrechnungsverbot berufen, da dieses eine unangemessene Benachteiligung des Bauherrn darstelle und deshalb nach AGB-Recht unwirksam sei. Der Bauherr werde nämlich mit einem solchen Aufrechnungsverbot gezwungen, eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang zu vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche in Höhe der Mängelbeseitigungs- oder Fertigstellungskosten zustünden. Hierdurch werde in das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung in für den Besteller unzumutbarer Weise eingegriffen. Ein Aufrechnungsverbot führe zu einer Auflösung der synallagmatischen Verbundenheit der gegenseitigen Forderungen und sei jedenfalls dann unzulässig, wenn es auch solche Forderungen umfasst, welche in einem engen Gegenseitigkeitsverhältnis zur Werklohnforderung stehen, wie z.B. Ersatzansprüche wegen Mängelbeseitigungskosten und Fertigstellungsmehrkosten.

Praxishinweis:

Die Beurteilung des Aufrechnungsverbots als unwirksam beschränkt sich nicht auf den Architektenvertrag, sondern dürfte nach der Argumentation des Bundesgerichtshofs zumindest auch für andere Werkverträge gelten. Da der Grund für die Unwirksamkeit nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in der Störung des Gegenseitigkeitsverhältnisses zwischen Werklohnforderung und Forderung auf mangelfreie Herstellung des vereinbarten Werks liegt, bleibt allerdings die Frage offen, ob der Aufrechnungsausschluss mit anderen Ansprüchen, die nicht in einem engen Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, zulässig ist. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage offen gelassen.

Formulierungsvorschlag für Einkaufsbedingungen:

Unter Berücksichtigung der Urteilsgründe empfiehlt sich für vorformulierte Aufrechnungsverbote, z.B. in Einkaufsbedingungen, folgende Formulierung:
„Aufrechnungsrechte stehen dem Auftragnehmer nur zu, wenn seine Gegenansprüche rechtskräftig festgestellt oder unbestritten oder vom Besteller anerkannt sind oder in einem engen synallagmatischen Verhältnis zur Forderung des Bestellers stehen.“

Vorsicht auch bei Sicherungsvereinbarungen!

Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Aufrechnungsverbot ist auch bei vorformulierten Sicherheitsvereinbarungen Vorsicht geboten. Diese enthalten häufig in Bezug auf die zu stellende Bürgschaft ein Verzicht auf die Einrede der Aufrechnung, soweit nicht unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen betroffen sind, z.B.: „Auf die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) und – soweit nicht die Forderung des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist – auf die Einrede der Aufrechnung (§ 770 Abs. 2 BGB) wird verzichtet.“

Da bei einer solchen Vereinbarung nun angesichts der Rechtsprechung zum Aufrechnungsverbot die Gefahr besteht, dass die Sicherungsvereinbarung komplett unwirksam ist und Sie dann im Falle der Insolvenz völlig ungesichert sind, sollte die Einrede der Aufrechnung im Rahmen der Bürgschaften sicherheitshalber nicht mehr ausgeschlossen werden.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.04.2011 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens VII ZR 209/07.