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Der Bundesgerichtshof erleichtert das Rücktrittsrecht beim Kaufvertrag!

27. November 2014

Wie hoch müssen die Mängelbeseitigungskosten im Verhältnis zum Kaufpreis liegen, damit Sie wegen eines Mangels vom Kaufvertrag zurücktreten dürfen?
Mit dieser Frage beschäftigte sich der Bundesgerichtshof in seinem aktuellen Urteil vom 28.05.2014.

Hintergrund:

Nach § 323 Abs. 5 S. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist ein Rücktritt wegen bloßer “Kleinigkeiten” ausgeschlossen. Die Vorschrift lautet wie folgt:
“Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.”
In einem solchen Fall bleiben Ihnen als Käufer dann nur die übrigen Mängelansprüche (zunächst Nacherfüllung, dann nach Ablauf einer angemessenen Frist Kaufpreisminderung und/oder Schadensersatz).

Der Bundesgerichtshof hatte bisher schon entschieden, dass zur Beantwortung der Frage, ob ein Mangel als erheblich anzusehen ist, eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen ist. Es müssen der Mangelbeseitigungsaufwand einerseits und die durch den Mangel begründete Beeinträchtigung andererseits in den Blick genommen werden. Auch die Schwere des Verschuldens des Verkäufers spielt eine Rolle.

Bisher ungeklärt war allerdings noch, wo genau die Schwelle anzusetzen ist, ab welcher ein Mangel als erheblich anzusehen ist und genau um diese sogenannte „Erheblichkeitsschwelle“ ging es in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Sachverhalt:

Der Käufer hatte bei einem Autohaus ein Neufahrzeug zum Preis von knapp 30.000 Euro erworben. Nach der Übergabe des KFZ machte der Käufer wiederholt verschiedene Mängel geltend, unter anderem Fehlfunktionen des akustischen Signals und das völlige Fehlen des optischen Signals der Einparkhilfe. Nachdem der Käufer dem Autohaus erfolglos eine Frist zur Nachbesserung gesetzt hatte, trat er vom Kaufvertrag zurück und machte mit seiner Klage die Rückerstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, insgesamt 27.257,23 € geltend.

Die Instanzgerichte:

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Stuttgart hatten die Klage mit der Begründung zurückgewiesen, der Mangel an der Einparkhilfe sei nur unerheblich und deshalb der Rücktritt unberechtigt. Das Landgericht hatte einen Sachverständigen bestellt, der festgestellt hatte, dass die Kosten für die Beseitigung des Mangels bei ca. 6,5% des Kaufpreises lagen. Da die Vorinstanzen entsprechend der bisher überwiegend in der juristischen Literatur vertretenen Auffassung die „Erheblichkeitsschwelle“ bei 10 % ansetzten, verlor der Käufer zunächst. Er gab sich allerdings nicht geschlagen und legte Revision beim Bundesgerichtshof ein. Und hier hatte er endlich Erfolg.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof setzte die Erheblichkeitsschwelle wesentlich niedriger an, als die bisher herrschende Meinung in Literatur und Judikatur:
Übersteigen die Mängelbeseitigungskosten 5% des Kaufpreises, liegt in der Regel eine erhebliche Pflichtverletzung vor, die den Käufer zum Rücktritt berechtigt!
Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über diese 5% hinaus sei mit dem Gesetzeswortlaut, dem Willen des Gesetzgebers und der Gesetzessystematik nicht zu vereinbaren. Zu berücksichtigen sei auch, dass es hierbei nicht um eine starre („in der Regel“), sondern flexible, in eine Interessenabwägung und eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls eingebettete Erheblichkeitsschwelle ginge. Im Übrigen stehe eine Erheblichkeitsschwelle von 5 % auch im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.
Sei die 5%-Schwelle überschritten könne ein Mangel nur dann als unerheblich eingestuft werden, wenn besondere Umstände vorliegen. Solche besonderen Umstände seien in diesem konkreten Fall jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.

Praxishinweise:

Ihnen als Einkäufer kommt dieses Urteil entgegen. Zwar berechtigt auch ein erheblicher Mangel nicht unmittelbar zum Rücktritt, denn Sie müssen zunächst dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung setzen oder die Mangelbeseitigung muss fehlgeschlagen sein, was in der Regel nach dem zweiten erfolglosen Versuch der Nachbesserung der Fall ist. Sind diese Voraussetzungen allerdings erfüllt, steht Ihnen die Möglichkeit des Rücktritts nun sehr viel früher offen als bisher.

Geltung auch im b2b?

Da der Bundesgerichtshof seine Entscheidung zur Erheblichkeitsschwelle nicht allein auf die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie stützt, sondern vor allem auf den Gesetzeswortlaut, den Willen des Gesetzgebers und die Gesetzessystematik, ist davon auszugehen, dass die 5%-Schwelle auch für Kaufverträge zwischen Unternehmen gilt.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Mai 2014 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens– VIII ZR 94/13

Ergänzender Hinweis:

Mit Urteil vom 15. Juni 2011 (Aktenzeichen VIII ZR 139/09) hatte der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass für die Beurteilung der Frage, ob ein Mangel des gelieferten Fahrzeugs unerheblich ist und der Käufer deswegen nicht vom Kaufvertrag zurücktreten kann, auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen ist. Ist in diesem Zeitpunkt die Ursache des fehlerhaften Fahrverhaltens eines Fahrzeugs trotz mehrerer Reparaturversuche des Verkäufers nicht ermittelt, ändert an der Erheblichkeit des Mangels nichts, dass durch ein im Verlauf des Rechtsstreits eingeholtes Gutachten die Ursache des Mangels und die Möglichkeit, diesen mit verhältnismäßig geringem Aufwand zu beseitigen, offenbar geworden ist.