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Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Es verstößt gegen EU-Recht wenn der Endverbraucher bei Ersatzlieferung Nutzungsentschädigung zahlen muss!

20. August 2008

Das Gesetz regelt in §§ 439 Absatz 4 BGB in Verbindung mit § 346 Absatz 1 BGB, dass im Falle der Ersatzlieferung die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben sind. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes müsste danach der Einkäufer eine Nutzungsentschädigung für das mangelhafte zurückgewährte Produkt bezahlen.

In seiner Entscheidung vom 16.08.2006 machte der Bundesgerichtshof zwar deutlich, dass er ebenso wie die Vorinstanzen Bedenken gegen die Zahlung einer Nutzungsentschädigung habe, verwies jedoch auf die bereits im Grundgesetz verankerte Bindung der Rechtsprechung an Recht und Gesetz. Diese Bindung lasse eine korrigierende Auslegung, die sich in Widerspruch zum ausdrücklichen Wortlaut und Willen des Gesetzgebers setze nicht zu.

Allerdings hatte der Bundesgerichtshof Zweifel, ob die entsprechende Vorschrift des BGB mit der europäischen Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie (Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantie für Verbrauchsgüter) im Einklang steht. Diese Richtlinie sieht in Art. 3 Absatz 2 bis 4 vor, dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes (also auch die Ersatzlieferung) für den Verbraucher unentgeltlich sein und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss. Aus diesem Grunde hatte der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit ausgesetzt und die Frage, ob Artikel 3 Abs. 2-4 der Richtlinie dahingehend auszulegen ist, dass der Verbraucher im Falle der Ersatzlieferung keine Nutzungsentschädigung schuldet, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17.04.2008:

Der EuGH hat nunmehr mit Urteil vom 17.04.2008 (Aktenzeichen C.404/06; ZGS 2008, 226 ff.) entschieden, dass eine gesetzliche Regelung, durch die der Verkäufer im Falle der Ersatzlieferung von dem Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des zunächst gelieferten vertragswidrigen Verbrauchsguts verlangen kann, der Verbraucherrichtlinie 1999/44/EG widerspricht. Zur Begründung führte der EuGH zunächst aus, dass schon nach dem Wortlaut der Richtlinie der Verkäufer dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit hafte, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsguts bestehe. Insbesondere betonte er, dass die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands durch den Verkäufer den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen solle, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könne, seine Ansprüche geltend zu machen. Lediglich bei Vertragsauflösung sähe die Richtlinie vor, dass gegenseitige Vorteile herauszugeben seien. Der EuGH stellte ferner fest, dass der Verkäufer – anders als der Verbraucher, der bereits den Kaufpreis gezahlt habe – seine vertraglichen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß erfüllt habe, wenn er ein nicht vertragsgemäßes Verbrauchsgut liefere. Der Verkäufer müsse also die Folgen seiner Schlechterfüllung selber tragen. Der Verbraucher würde seinerseits auch nicht durch die Erlangung eines neuen Verbrauchsguts als Ersatz für das vertragswidrige Verbrauchsgut ungerechtfertigt bereichert. Er erhielte lediglich verspätet ein den Vertragsbestimmungen entsprechendes Verbrauchsgut, wie er es bereits zu Beginn hätte erhalten müssen.

Die Folgen des EuGH-Urteils für die Rechtspraxis in Deutschland:

Ob der Kunde künftig die Zahlung einer Nutzungsentschädigung verweigern kann, bleibt trotz des klaren Urteils des EuGH dennoch weiter fraglich. Zwar verpflichtet das im Europäischen Gemeinschaftsvertrag (EGV) wurzelnde Gebot zur richtlinienkonformen Auslegung die nationalen Gerichte Gesetze „im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie“ auszulegen. Im vorliegenden Fall ist jedoch bereits zweifelhaft, ob es angesichts des klaren Wortlautes der gesetzlichen Regelung überhaupt einer Auslegung bedarf. Nachdem der BGH bereits eine Auslegung wegen des eindeutigen Wortlautes des Gesetzes abgelehnt hat wäre eine richtlinienkonforme Auslegung zumindest widersprüchlich. Wie also der BGH das Urteil nunmehr verwertet wird interessant. Mit großer Spannung werden also nicht nur Juristen dieser noch ausstehenden Entscheidung des BGH entgegensehen.

Es bleibt allerdings auch noch zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber nunmehr endlich tätig wird und die einschlägigen Regelungen des BGB im Sinne der Richtlinie ändert. Bis dahin sind die Verbraucher auf wenig erfolgversprechende Regressansprüche gegen den deutschen Staat angewiesen.

Im B2B-Bereich ist weiterhin alles offen, da die genannte EU-Richtlinie nur zum Schutz des Endverbrauchers gilt. Auch hier kann letztendlich nur der Gesetzgeber für endgültige Klarheit sorgen.