Der Europäische Gerichtshof ist mal wieder gefragt: Hat der Käufer im Rahmen seines Nacherfüllungsanspruchs einen Anspruch auf die Ausbaukosten?
Dem Bundesgerichtshof lag folgender Fall zur Entscheidung vor:
Ein privater Käufer kaufte bei einem Baustoffhandel Bodenfliesen zum Preis von 1.382,27 €. Nachdem er die Fliesen in seinem Wohnhaus hatte verlegen lassen, zeigten sich Mängel. Deswegen begehrte der Käufer vom Baustoffhandel die Lieferung neuer Fliesen sowie die Zahlung zukünftig noch entstehender Aus- und Einbaukosten in Höhe von 5.830,57 €.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte den Ersatz der Einbaukosten entsprechend dem Urteil des BGH vom 16.07.2008 abgelehnt („Parkettfall“: siehe hierzu unter „Aktuelles“ vom 22.08.2008). Die Kosten des Ausbaus der Fliesen in Höhe von 2.122,37 € sprach das Oberlandesgericht dagegen dem Käufer zu. Dagegen legte der Baustoffhändler Revision ein.
Der BGH äußerte in diesem Zusammenhang die Meinung, dass ein Anspruch auf Ersatz der Ausbaukosten im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs des Käufers dem Gesetzeswortlaut bisher nicht zu entnehmen sei. Selbst wenn ein solcher Anspruch grundsätzlich zu bejahen sei, könne sich der Lieferant im konkreten Fall auf Unverhältnismäßigkeit berufen. Nach § 439 Abs. 3 BGB kann der Lieferant die Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit der dafür erforderlichen Kosten verweigern. Eine solche Unverhältnismäßigkeit sei hier anzunehmen, weil die Kosten der Nacherfüllung (Lieferung neuer Fliesen und Ausbau der mangelhaften Fliesen) mit insgesamt rund 3.300 € den Wert der Fliesen um deutlich mehr als 150% überschreiten.
Nach Ansicht des BGH könnte jedoch das deutsche Recht insoweit im Widerspruch zu der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (sog. Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) stehen. Diese Richtlinie könnte nämlich dahin auszulegen sein, dass der Verkäufer die Nacherfüllung nicht wegen absoluter, sondern nur wegen relativer („… verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit …“) Unverhältnismäßigkeit der dafür erforderlichen Kosten verweigern darf. Außerdem könnte sich aus der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ergeben, dass dem Käufer im Falle der Nacherfüllung ein Anspruch auf die Ausbaukosten zustehen soll.
Wegen dieser europarechtlichen Bedenken hat der Bundesgerichtshof nunmehr mit Beschluss vom 14.01.2009 das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof folgende zwei Fragen vorgelegt. 1. Unter welchen Voraussetzungen kann der Verkäufer die Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern? Verstößt es gegen die europäische Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie, wenn der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung nicht zum Ersatz der Ausbaukosten verpflichtet ist?
Auswirkungen auf die Einkaufspraxis:
Soweit ein Käufer bei einem Unternehmer zu privaten Zwecken einkauft (Verbrauchsgüterkauf) bleibt die Entscheidung des EuGH abzuwarten.
Soweit ein Käufer allerdings für sein Unternehmen einkauft (B2B), sieht es nicht nur hinsichtlich der Einbaukosten sonder auch hinsichtlich der Ausbaukosten „schlecht“ für ihn aus. Mit seiner Aussage, er sähe im deutschen Recht keine Grundlage für einen Anspruch auf Ersatz der Ausbaukosten im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs, hat der BGH im B2B-Bereich nunmehr auch einem Anspruch des Käufers auf Ersatz der Ausbaukosten als Nacherfüllungsanspruch eine Absage erteilt. Sowohl die Ein- als auch die Ausbaukosten kann der Käufer demnach allenfalls als Schadensersatzanspruch geltend mache. Dies setzt jedoch voraus, dass der Verkäufer das Vorliegen des Mangels zu vertreten hat. Ist der Verkäufer ein Händler dürfte dies regelmäßig nicht der Fall sein.
Praxistipp:
Aus Sicht des Einkäufers empfiehlt es sich, entweder Werkverträge abzuschließen oder möglichst im Wege der Individualvereinbarung vertraglich zu regeln, dass der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung auch die Ein- und Ausbaukosten zu tragen hat.
Eine weitere Möglichkeit für Einkäuferseite, auch die Ein- und Ausbaukosten ersetzt zu bekommen wäre die Vereinbarung von Beschaffenheitsgarantien, da der Verkäufer aufgrund solcher Garantien unabhängig vom Vertretenmüssen haftet.
Den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 14.01.2009 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de unter Angabe des Aktenzeichens VIII ZR 70/08.