Ein- und Ausbaukosten – Bei Kaufverträgen zwischen Unternehmen zu ersetzen?
OLG Frankfurt: Bei Kaufverträgen zwischen Unternehmen gehören die Ein- und Ausbaukosten nicht zu den Nacherfüllungskosten!
Wie in meiner Nachricht vom 10.04.2012 berichtet, hatte der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 16.06.2011 zugunsten des Verbrauchers entschieden, dass der Verkäufer nicht nur Ersatz für die mangelhafte Sache liefern muss, sondern auch den Ausbau der mangelhaften Ware und Wiedereinbau der neuen Ware schuldet. Entsprechend hatte dann auch der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 21.12.2011 (Aktenzeichen VIII ZR 70/08) „richtlinienkonform“ entschieden, dass der Ausbau und Abtransport der Ware zur Ersatzlieferung dazu gehört. In dieser Entscheidung ließ der Bundesgerichtshof allerdings die Frage offen, ob seine „richtlinienkonforme“ Auslegung nur beim Verbrauchsgüterkauf gelten soll, oder auch bei Kaufverträgen zwischen Unternehmen. Diese Frage entschied nun das Oberlandesgericht Frankfurt mit Urteil vom 21.06.2012 (Aktenzeichen 15 U 147/11), allerdings nicht käuferfreundlich: Wenn kein Verbrauchsgüterkauf vorliegt muss der Verkäufer weder die Einbau- noch die Ausbaukosten tragen!
Sachverhalt:
Die Käuferin kaufte von der Verkäuferin Mineralfaser-Dämmplatten, die das Material bei der Herstellerin bezogen hatte. Nachdem Mitarbeiter der Käuferin beim Einbau feststellten, dass sich das Material weicher anfühlte als üblich, erklärte auf Nachfrage die Herstellerin der Dämmplatten, die Anforderungen der DIN an die Druckfestigkeit würden erfüllt. Ein hinzugezogener Anwendungsingenieur ließ Proben untersuchen. Erst nachdem die Käuferin die Dacharbeiten beendet hatte, wurde ihr als Ergebnis der Probenuntersuchung mitgeteilt, dass das Material nicht den zugesicherten Eigenschaften entspreche. Die Käuferin forderte daraufhin die Verkäuferin zur Mängelbeseitigung auf und als diese dem nicht nachkam, sanierte die Klägerin das Dach durch vollständige Neuverlegung der Dämmplatten. Von der Verkäuferin verlangte sie dann nicht nur neue Dämmplatten, sondern auch den Abbau und die Neuverlegung.
Beschluss des OLG Frankfurt:Aus- und Wiedereinbau fällt nicht unter den Ersatzlieferungsanspruch
Zwar habe der EuGH entschieden, dass der Verkäufer nach der Verbrauchsgüterkaufsrichtlinie verpflichtet ist, bei einem eingebauten mangelhaften Verbrauchsgut entweder das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut einzubauen oder aber die dafür notwendigen Kosten zu tragen. Deshalb sei § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Nacherfüllungsvariante „Lieferung einer mangelfreien Sache“ auch den Ausbau und den Einbau umfasst (BGH vom 21.12.2011, VIII ZR 70/08). Eine richtlinienkonforme Auslegung komme indes nur in Betracht, wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Seien die Parteien des Kaufvertrags Unternehmer, sei die Richtlinie nicht anzuwenden. Eine solche unterschiedliche Auslegung sei auch gerechtfertigt, denn das BGB enthalte eine Reihe von Vorschriften, die Verbraucher und Unternehmer als Käufer unterschiedlich behandeln.
Schadensersatzanspruch scheitert am fehlenden Verschulden
Der Ersatz der Aus- und Wiedereinbaukosten kam somit im vorliegenden Fall nur noch als Schadensersatzanspruch in Betracht. Dies setzt jedoch ein Verschulden des Verkäufers voraus, welches nach Ansicht des OLG Frankfurt hier nicht vorlag. Denn die Verkäuferin konnte die produktionsbedingte mangelhafte Druckfestigkeit der Dämmplatten nicht kennen und hatte auch keine Möglichkeit, durch Untersuchung der Platten den Mangel festzustellen. Im übrigen – so das OLG Frankfurt – treffe die Verkäuferin im Verhältnis zur Käuferin auch keine Verpflichtung zur Untersuchung der Dämmplatten auf etwaige Mängel. Denn die Käuferin habe gewusst, dass die Verkäuferin die Dämmplatten nicht selbst, sondern durch einen Dritten direkt liefern lassen würde, ohne dass die Verkäuferin zuvor Besitz an den Dämmplatten erlangen würde. Unter diesen gegebenen Umständen (so genanntes Streckengeschäft) habe die Verkäuferin durch eigene Untersuchung keine Kenntnis von Mängeln der gelieferten Dämmplatten erhalten können.
Die Verkäuferin müsse sich auch das Verschulden der Herstellerin der Dämmplatten nicht zurechnen lassen. Denn der Hersteller ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, weil sich die Pflichten des Verkäufers nicht auf die Herstellung der Sache erstrecken.
Anmerkung:
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat bei seiner Beurteilung außer acht gelassen, dass der Bundesgerichtshof bei seiner richtlinienkonformen Auslegung des § 439 BGB keine Einschränkung auf den Verbrauchsgüterkauf vorgenommen hat, während er seine Rechtsprechung hinsichtlich der ebenfalls vom Europäischen Gerichtshof vorgegebenen Einschränkung des Rechtes des Verkäufers zur Verweigerung der Nacherfüllung insgesamt wegen Unverhältnismäßigkeit ausdrücklich auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt hatte. Dies hätte durchaus auch den Schluss zugelassen, dass Ausbau der mangelhaften und Wiedereinbau der neuen Sache auch bei Kaufverträgen zwischen Unternehmen zur Ersatzlieferung gehören.
Fazit und Praxishinweis:
Solange der Bundesgerichtshof nicht abweichend vom OLG Frankfurt entscheidet, ist für die Praxis zunächst das Urteil des OLG Frankfurt maßgebend, d.h. im B2B-Bereich ist nun davon auszugehen, dass die Aus- und Wiedereinbaukosten nicht zur Nacherfüllung gehören. Allerdings bleibt dem Käufer nach wie vor die Möglichkeit, die Ein- und Ausbaukosten im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs geltend zu machen. Dies setzt allerdings – anders als beim Nacherfüllungsanspruch – ein Verschulden des Lieferanten voraus. Und genau an diesem Verschuldenserfordernis fehlt es häufig beim Einkauf von einem Händler, denn diesen trifft meist kein eigenes Verschulden und das Verschulden des Herstellers ist ihm in der Regel auch nicht zuzurechnen.