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Es gilt ohne Ausnahme: Eine Leistung, die abweichend vom Vertrag ausgeführt wird, ist mangelhaft!

15. Mai 2016

Oft wird von Auftragnehmern gegenüber Mängelrügen eingewendet, dass es sich bei dem Mangel deshalb nicht um einen Mangel im Rechtssinne handele, weil die Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit nicht zu einer Beeinträchtigung des Werts oder der Gebrauchstauglichkeit des Werks führe. Hierzu hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 30.07.2015 eine wichtige Entscheidung gefällt.

Sachverhalt

Der Auftraggeber beauftragte den Auftragnehmer mit der Errichtung eines Parkplatzes mit gepflasterten Stellflächen und Fahrspuren. In dem vereinbarten Leistungsverzeichnis war u.a. explizit die Verwendung von Kies mit der Körnung 0/5 für die Erstellung der Außenanlage vorgesehen. Die Beklagte führte die gepflasterten Stellflächen und Fahrspuren jedoch hiervon abweichend unter Verwendung von Kies mit der Körnung 2/5 aus. Drei Jahre nach Abnahme zeigten sich im Bereich der Pflasterarbeiten, vor allem an den besonders belasteten Stellen (Fahrspuren), Mangelsymptome unter anderem in Form loser Pflastersteine. Auf eine diesbezügliche Mängelrüge unter Fristsetzung blieb der Auftragnehmer indessen untätig. Der Auftragnehmer behauptete, Ursache hierfür sei allein der Umstand, dass der Auftraggeber die ihm obliegenden Nachsandung unterlassen habe. Der Auftraggeber ließ die Fahrspuren sodann durch ein Drittunternehmen sanieren und begehrte anschließend vom Auftragnehmer u.a. die Erstattung der für die Sanierung getätigten Aufwendungen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die Karlsruher Richter stellen zunächst klar, dass im vorliegenden Fall jedenfalls ein Mangel vorliege, und zwar selbst dann, wenn die losen Pflastersteine und andere Mangelsymptome darauf zurückzuführen seien, dass der Auftraggeber die Nachsandung unterlassen habe. Denn der Mangel bestehe nach § 633 Absatz 2 Satz 1 BGB alleine schon darin, dass der verwendete Kies von der im Leistungsverzeichnis vereinbarten Beschaffenheit abweicht.

Ein Mangel liegt auch vor, wenn eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit nicht zu einer Beeinträchtigung des Werts oder der Gebrauchstauglichkeit führt!>

Die Abweichung des verwendeten Kieses vom vertraglich vereinbarten Kies ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch dann ein Mangel, wenn dies keine Nachteile für den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit des Werks mit sich bringt. Denn nach dem seit Schuldrechtsreform (01.01.2002) neu gefassten Mangelbegriff fordert das Gesetz für das Vorliegen eines Mangels nicht mehr, dass der Fehler den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit der Leistung aufhebt oder mindert.

Wirkt sich die Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit aber nicht oder nur in geringem Maße nachteilig aus, ist zu prüfen, ob die Mängelbeseitigung unverhältnismäßig ist.

In der Behauptung des Auftragnehmers, Ursache der losen Pflastersteine sei allein die seitens des Auftraggebers unterlassene Nachsandung, liegt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zugleich die Behauptung, die Verwendung des vom Leistungsverzeichnis abweichenden Kieses sei für die gerügten Mangelerscheinungen nicht ursächlich gewesen und habe sich damit auch nicht nachteilig ausgewirkt. In diesem Fall wäre der Aufwand für das Auswechseln des Kieses möglicherweise tatsächlich unverhältnismäßig.

Darlegungs- und Beweislast für Unverhältnismäßigkeit liegt auch nach Abnahme beim Auftragnehmer!

Der Bundesgerichtshof stellt in diesem Zusammenhang allerdings explizit klar, dass für die Behauptung, der für die Beseitigung des Mangels zu betreibende Beseitigungsaufwand sei unverhältnismäßig, der Auftragnehmer darlegungs- und beweispflichtig ist.
Der Bundesgerichtshof verwies den Rechtsstreit zur weiteren Beweisaufnahme zurück an das Oberlandesgericht.

Fazit>

Seit der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 ist jede Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit ein Mangel, auch wenn dies keine Nachteile für den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit des Werks mit sich bringt oder sogar wirtschaftlich oder technisch besser als die vereinbarte Ausführung ist. Für die Mangelfrage kommt es daher auf das Auftreten von Mangelerscheinungen oder deren Ursache nicht an.
Einziger Ausweg für den Auftragnehmer ist dann sein Einwand der Unverhältnismäßigkeit der geforderten Nacherfüllung. Denn wirkt sich die Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit nicht oder nur in geringem Maße nachteilig aus, ist zu prüfen, ob die Mängelbeseitigung unverhältnismäßig ist. Dies ist allerdings ein steiniger Ausweg für den Auftragnehmer, denn für die Unverhältnismäßigkeit der verlangten Nachbesserung trägt er auch nach der Abnahme die Darlegungs- und Beweislast.

Den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30.07.2015 können Sie abrufen unter www. bundesgerichtshof.de unter Angabe des Aktenzeichens VII ZR 70/14.