Kaufvertrag mit Montage oder Werkvertrag? – Weitere Grundsatzurteile des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung
Hintergrund:
Die Einordung eines Vertrages als Kauf- oder Werkvertrag hat durchaus praxisrelevante Konsequenzen. So gibt es zum Beispiel nur beim Kaufvertrag die für den Einkäufer so leidige Regelung der unverzüglichen Wareneingangskontrolle (§ 377 HGB), welche bei Unterlassung oder nicht ausreichender Prüfung immerhin zum Verlust sämtlicher Mängelansprüche führen kann. Auf den Werkvertrag findet diese Regelung dagegen keine Anwendung. Schon aus diesem Grund ist dem Einkäufer die Einordung eines Vertrages als Werkvertrag in der Regel lieber, als die Einordung in das Kaufvertragsrecht. Doch es gibt auch noch andere, für den Einkäufer nachteiligen Folgen bei der Einordnung als Kaufvertrag. So ist der Erfüllungszeitpunkt beim Kaufvertrag ein anderer als beim Werkvertrag: Während der Kaufvertrag bereits mit Lieferung erfüllt ist, erfolgt Erfüllung beim Werkvertrag erst mit der Abnahme. Dieser Unterschied kann sich in der Praxis erheblich auswirken. Denn das Gesetz knüpft an den Erfüllungszeitpunkt wichtige Folgen wie insbesondere den Gefahrenübergang, die Fälligkeit der Zahlungsansprüche und den Beginn der Verjährungsfrist für die Mängelansprüche. Der Einkäuferseite ist es natürlich grundsätzlich lieber, wenn diese Folgen nicht schon mit Lieferung, sondern erst mit der Abnahme eintreten.
Durch die Neuregelung des § 651 BGB im Wege der Schuldrechtsreform (2002) wurde der Anwendungsbereich des Kaufvertragsrechts gegenüber dem Werkvertragsrecht erheblich ausgedehnt – eine der wenigen für den Einkäufer nachteiligen Folgen der Schuldrechtsreform. Denn nunmehr finden laut § 651 BGB auf alle Verträge, die die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, die Vorschriften über den Kauf Anwendung.
Basierend auf dieser Neuregelung hatte der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 23.07.2009 Aktenzeichen VII ZR 151/08 wie folgt entschieden:
„Verträge, die allein die Lieferung von herzustellenden beweglichen Bau- oder Anlagenteilen zum Gegenstand haben, sind nach Kaufrecht zu beurteilen. Die Zweckbestimmung der Teile, in Bauwerke eingebaut zu werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Einer Beurteilung des Vertrages nach Kaufrecht steht es auch nicht entgegen, wenn Gegenstand des Vertrages auch Planungsleistungen sind, die der Herstellung der Bau- und Anlagenteile vorauszugehen haben und nicht den Schwerpunkt des Vertrages bilden.“
Dies war nicht immer so. Vor der Schuldrechtsreform hatte der BGH zum Beispiel Verträge über die Lieferung von unvertretbaren Sachen, die erkennbar für ein Bauwerk bestimmt waren, nach Werkvertragsrecht beurteilt (BGH, Urteil vom 27.03.1980). Dieser bisherigen Auffassung hat der BGH im oben genannten Urteil eine Absage erteilt und damit die Lieferung sämtlicher Produkte unabhängig von ihrer Zweckbestimmung dem Kaufrecht unterstellt.
Die Einordnung als Kaufvertrag ist nun also relativ eindeutig, wenn bewegliche Sachen „nur“ geliefert werden.
Wesentlich schwieriger ist die Einordnung von Verträgen allerdings dann, wenn der Lieferant nicht nur die Lieferung von beweglichen Sachen schuldet, sondern auch deren Einbau, denn nun kommt eine werkvertragliche Komponente hinzu.
Lieferung und Einbau: Kauf- oder Werkvertrag?
Hierzu hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 16.04.2013 ein weiteres Grundsatzurteil gefällt. Konkret ging es um die Frage, ob die Herstellung eines Parkettbodens als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung oder als Werkvertrag einzuordnen ist.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass es sich hierbei um einen Werkvertrag handelt. Zur Begründung führte er aus:
„Für die Einordnung eines Vertragsverhältnisses als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung oder als Werkvertrag kommt es darauf an, auf welcher der beiden Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt.“
Dabei sei vor allem abzustellen auf
• die Art des zu liefernden Gegenstands
• das Wertverhältnis von Lieferung und Montage sowie auf die
• Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses.
Entscheidend sei letztlich, ob nach dem Vertrag die Pflicht zur Eigentumsübertragung zu montierender Einzelteile oder eine Herstellungspflicht im Vordergrund steht.
Bei der Herstellung eines Parkettbodens stehe im Vordergrund nicht die Übertragung von Eigentum und Besitz an den zu verlegenden Parkettstäben, sondern die mangelfreie Herstellung des einzubauenden Parkettbodens insgesamt. Die fachgerechte Ausführung der Handwerkerleistung (Zuschnitt und Verlegung der Parkettstäbe nach entsprechender Untergrundbehandlung) sei bei der Herstellung eines Bodenbelags mindestens ebenso wichtig wie das zu verlegende Material.
Den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16.04.2013 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens VIII ZR 375/11.
Lieferung und Montage einer Solaranlage Kaufvertrag!
Dagegen hatte der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 03.03.2004 (Az VIII ZR 76/03) hinsichtlich der Lieferung und Montage einer Solaranlage Kaufvertragsrecht angewendet. In diesem Fall sei das Recht des Kaufvertrages (mit Montageverpflichtung) anzuwenden, da die Übertragung des Eigentums der serienmäßig hergestellten Anlage gegenüber der Montage im Vordergrund gestanden habe. Dies ergebe sich unter anderem aus dem Verhältnis der Kosten für die Lieferung und die der Montage (Preis insgesamt 8.000,- DM, Montage 1.400,- DM). Außerdem habe die Anlage nicht speziellen individuellen Erfordernissen des Auftraggebers angepasst werden müssen. Man habe sie leicht wieder ausbauen und anderweitig verwenden können. Sei aber der Warenumsatz vorrangig, beurteilten sich die Rechte des Auftraggebers nach Kaufvertragsrecht.
Praxishinweis:
Der Einkäufer kann nicht einfach aus einem Kaufvertrag einen Werkvertrag „machen“, selbst wenn er und der Lieferant diesen Vertrag einverständlich als Werkvertrag behandeln. Denn nach der Rechtsprechung ist für die Einordung eines Vertrages nicht die Bezeichnung des Vertrages entscheidend sondern sein Inhalt. Der Käufer kann lediglich versuchen, im Rahmen der Vertragsgestaltung Elemente des Werkvertrages in den Vertrag aufzunehmen, also zum Beispiel ausdrücklich eine Abnahme im Vertrag vereinbaren und die oben genannten Folgen (Gefahrenübergang, Fälligkeit der Zahlungsansprüche und Beginn der Verjährungsfrist für die Mängelansprüche) vertraglich an diese Abnahme knüpfen. Doch wenn dies nicht im Wege eine Individualvereinbarung verhandelt wird, sondern eine solche Regelung vorformuliert in die Verträge aufgenommen wird, besteht die Gefahr, dass ein Gericht diese Vereinbarung als unangemessene Benachteiligung im Sinne des AGB-Rechtes bewertet, was wiederum zur Unwirksamkeit dieser Regelung führen würde. Rechtsprechung gibt es hierzu allerdings noch nicht.
Wann verjähren Mängelansprüche beim Kauf von Modulen einer Photovoltaikanlage?
Mit Pressemitteilung Nr. 168/13 vom 9.10.2013 hat der Bundesgerichtshof ein weiteres höchst aktuelles und praxisrelevantes Urteil (Aktenzeichen VIII ZR 318/12) bekannt gegeben.
In diesem Fall ging es um die Frage, ob die Module einer Photovoltaikanlage Produkte sind, welche entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwenden werden. Dann würde nämlich die ebenfalls im Wege der Schuldrechtsreform neu eingeführte Regelung des § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB Anwendung finden, nach welcher Mängelansprüche bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, in fünf Jahren verjähren.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Mängelansprüche hinsichtlich der gelieferten Einzelteile der Photovoltaikanlage nicht in fünf Jahren, sondern in zwei Jahren verjähren. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs handelte es sich bei diesen Teilen nicht um Sachen, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet werden und dessen Mangelhaftigkeit verursacht haben. Denn die auf dem Dach der Scheune errichtete Photovoltaikanlage sei selbst kein Bauwerk im Sinne des Gesetzes. Bauwerk sei allein die Scheune, auf deren Dach die Anlage montiert wurde. In diesem Zusammenhang spielte allerdings der Verwendungszweck der Solaranlage eine wichtige Rolle. Denn für die Frage, ob der Einbau von Anlagen in ein Bauwerk dem Bauvertrag oder Kaufvertrag zuzuordnen ist, kommt es entscheidend darauf an, ob die Anlage für die Funktionalität des Gebäudes erforderlich ist. In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall war die Photovoltaikanlage weder Gegenstand von Erneuerungs- oder Umbauarbeiten an der Scheune, noch war sie für deren Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit von Bedeutung. Vielmehr diente die Anlage allein dem Zweck, Strom zu erzeugen und dem Käufer dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle (Einspeisevergütung) zu verschaffen. Die Solaranlage war also gerade nicht für die Funktionalität der Scheune erforderlich, so dass auch kein Mangel an einem Bauwerk verursacht worden ist.
Ergänzender Hinweis:
Wäre die Photovoltaikanlage für die Scheune selbst verwendet worden und insoweit für die Funktionalität der Scheune erforderlich gewesen, hätte die Entscheidung anders ausfallen können.