Klare Worte des BGH zur Anwendung des Kaufvertragsrechts!
Mit aktuellem Urteil vom 23.07.2009 hat der Bundesgerichtshof ein wichtiges Grundsatzurteil zu der Frage gefällt, wann Kaufvertragsrecht in der Abgrenzung zum Werkvertragsrecht anzuwenden ist. Diese Frage ist nicht nur eine juristische Spitzfindigkeit, sondern hat erhebliche praktische Auswirkungen!
Zum Sachverhalt:
Die Käuferin machte Mängelansprüche aus einem Vertrag über die Herstellung und Lieferung eines Lagersystems für Agrarprodukte geltend. Sie hatte bei der Beklagten die Bauteile und Materialien einschließlich einer prüffähigen Statik für eine Siloanlage für Agrarprodukte, bestehend aus 14 nebeneinander angeordneten Boxen bestellt. Die Montage sollte durch die Käuferin auf einem vom Endkunden vorzubereitenden Fundament erfolgen. Unstreitig waren die gelieferten Silozellen mangelhaft. Der beklagte Lieferant verweigerte jedoch die Mängelbeseitigung mit der Begründung, die Käuferin sei ihrer nach § 377, 381 Absatz 2 Handelsgesetzbuch bestehenden Untersuchungs- und Rügepflicht nicht nachgekommen.
Entscheidend für den Ausgang des Rechtsstreits war also die Frage, ob es sich vorliegend um einen Kauf- oder einen Werkvertrag handelte, da beim Werkvertrag im Gegensatz zum Kaufvertrag keine Wareneingangskontrolle zu erfolgen hat.
Ein paar Hintergrundinformationen:
Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 fallen auch Produkte, die speziell für Ihr Unternehmen hergestellt werden nicht mehr unter das Werkvertragsrecht sondern unter das Kaufvertragsrecht!
Vor der Schuldrechtsreform fand auf solche speziell für Ihre Bedürfnisse angefertigten Produkte („nicht vertretbare Sachen“) das Werkvertragsrecht Anwendung. Dies hat sich durch den im Rahmen der Schuldrechtsreform neu gefassten § 651 BGB jedoch entscheidend ge-ändert. § 651 BGB lautet wie folgt:
„ Auf einen Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, finden die Vorschriften über den Kauf Anwendung….“
Umstritten war allerdings bisher, ob die neue Regelung des § 651 BGB nur im Verbrauchsgüterkauf Anwendung findet oder auch für Verträge zwischen Unternehmen gilt. Der Käufer hatte deshalb auch in diesem, dem BGH vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht, § 651 BGB fände keine Anwendung, weil es sich um einen Vertrag im B2B-Bereich handele.
Entscheidung des BGH:
Im Gegensatz zur Vorinstanz OLG Nürnberg, welches den Vertrag als Werkvertrag ansah und damit der Käuferin recht gab entschied der BGH zugunsten des Lieferanten für die Anwendung des Kaufvertragsrechts und damit auch für das Erfordernis der Wareneingangskontrolle im konkreten Fall.
Hier die wichtigsten Grundsätze dieses Urteils:
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Kaufrecht ist auf sämtliche Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen anzuwenden, also auch auf solche Verträge zwischen Unternehmern.
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Verträge, die allein die Lieferung von herzustellenden beweglichen Bau- oder Anlagenteilen zum Gegenstand haben, sind nach Maßgabe des § 651 BGB nach Kaufrecht zu beurteilen. Die Zweckbestimmung der Teile, in Bauwerke eingebaut zu werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Dies war nicht immer so. Vor der Schuldrechtsreform hatte der BGH Verträge über die Lieferung von unvertretbaren Sachen, die erkennbar für ein Bauwerk bestimmt waren, nach Werkvertragsrecht beurteilt (BGH, Urteil vom 27.03.1980). Auch Verträge, bei denen ein Handwerker Werkleistungen an beweglichen Sachen erbrachte, die – wie ihm bekannt war – in ein bestimmtes Bauwerk eingebaut werden sollten, hatte der BGH früher als Bau- und damit Werkverträge angesehen. (BGH Urteil vom 26. April 1990, BauR 1990 Seite 603 f.). Dieser bisherigen Auffassung hat der BGH nunmehr im Hinblick auf die Neufassung des § 651 BGB eine Absage erteilt und damit die Lieferung sämtlicher Produkte unabhängig von ihrer Zweckbestimmung dem Kaufrecht unterstellt. -
Einer Beurteilung des Vertrages nach Kaufrecht steht es auch nicht entgegen, wenn Gegenstand des Vertrages auch Planungsleistungen sind, die der Herstellung der Bau- und Anlagenteile vorauszugehen haben und nicht den Schwerpunkt des Vertrages bilden.
Das Berufungsgericht OLG Nürnberg war unter anderem auch wegen der vom Lieferanten zu erbringenden Planungsleistungen von der Anwendung des Werkvertragsrechts ausgegangen. Der BGH sah die Planungsleistungen des Lieferanten allerdings nicht von solchem Gewicht, dass die Anwendung des Werkvertragsrechts gerechtfertigt sei. Es handele sich nämlich lediglich um Planungsleistungen, die als Vorstufe zu der im Mittelpunkt des Vertrages stehenden Lieferung herzustellender Anlagenteile anzusehen seien. Eine Ausnahme könne allenfalls dann gelten, wenn es bei der Beauftragung im Wesentlichen um die allgemein planerische Lösung eines konstruktiven Problems gehe.
Schwerpunkt des Vertrags im konkreten Fall sei jedoch nicht eine allgemein planerisch und konstruktiv zu ermittelnde Problemlösung für die Lagerung der Agrarprodukte, sondern die Lieferung ausreichend dimensionierter Bauteile zur Erstellung einer den Anforderungen der Käuferin entsprechenden Siloanlage.
Auswirkungen auf die Praxis:
Der BGH hat durch seine Entscheidung die bereits durch die Schuldrechtsreform eingeläutete Ausdehnung der Anwendungsfälle des Kaufvertragsrechts bestätigt und verfestigt. Unter das Werkvertragsrecht fallen im wesentlichen nur noch Bauleistungen, reine Reparaturarbeiten und die Herstellung nichtkörperlicher Werke, wie zum Beispiel die Planung von Architekten oder die Erstellung von Gutachten.
Mit der Ausweitung der Anwendung des Kaufrechts sind Vor- und Nachteile verbunden:
Der Vorteil: schlicht und einfach klare Rechtsverhältnisse!
Ihre Nachteil als Einkäufer:
Erster Nachteil: Erfüllung bereits durch Lieferung anstatt erst durch Abnahme!
Mit der Verlagerung vom Werkvertrag zum Kaufvertrag im Falle der Lieferung von speziell für Sie angefertigten Produkten ist für Sie als Einkäufer ein wesentlicher Nachteil verbunden: Die Erfüllung des Vertrages findet nun nicht mehr durch die Abnahme statt, sondern bereits durch die Lieferung, bzw. – falls z.B. bei Anlagen auch die Montage durch den Lieferanten vorgenommen wird – mit erfolgter Montage. Damit sind die mit der Erfüllung des Vertrages verbundenen Rechtsfolgen, wie z.B. Beginn der Verjährungsfrist für Mängelansprüche, Fälligkeit der Zahlungsansprüche, Gefahrenübergang, etc. deutlich vorverlagert. In der Regel werden Sie zwar im Rahmen von Investitionsgütern oder wichtigen Anlagenteilen eine Abnahme vertraglich vereinbaren. Dies bedeutet aber noch nicht, dass die vom Gesetz beim Kaufvertrag an die Lieferung geknüpften Folgen erst mit der Abnahme eintreten.
Praxistipp:
Insbesondere im Anlageneinkauf sollten Sie nicht nur die Durchführung einer förmlichen Abnahme regeln, sondern darüber hinaus ausdrücklich auch die gesetzlich an die Lieferung geknüpften Folgen auf den Abnahmezeitpunkt verlagern.
Um sicher zu gehen, dass eine solche Vereinbarung wirksam ist, müsste diese im Wege einer Individualvereinbarung erfolgen, denn es ist fraglich, ob eine solche Regelung als Allgemeine Geschäftsbedingung vor Gericht standhalten würde. Eine gerichtliche Klärung ist hierzu noch nicht erfolgt.
Zweiter Nachteil: Im Gegensatz zum Werkvertrag muss beim Kaufvertrag eine unverzügliche Untersuchung der Ware nach § 377 HGB durchgeführt werden!
Gemäß dem im Rahmen der Schuldrechtsreform ebenfalls neu gefassten § 381 Absatz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) findet § 377 HGB auch auf einen Vertrag Anwendung, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat. Dies bedeutet, dass auch bei speziell auf Ihre Bedürfnisse angefertigte Produkte nach deren Ablieferung eine unverzügliche Untersuchung erfolgen muss, damit die Mängelansprüche nicht verloren gehen. Dabei ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung die Ware nicht nur einer Sichtprüfung zu unterziehen ist, sondern vom Käufer auch durch technische Überprüfungen auf ihre vertragsgemäße Beschaffenheit untersucht werden muss. Der vom BGH entschiedene Fall macht deutlich, welch gravierende Auswirkungen die unterlassene Wareneingangsprüfung in der Praxis haben kann: Verlust der gesamten Mängelansprüche!
Sie können zwar versuchen, die Wareneingangskontrolle vertraglich auszuschließen oder einzuschränken. Dies geht rechtlich sicher allerdings nur im Wege einer Individualvereinbarung!
Die Entscheidung des BGH vom 23.07.2009 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens VII ZR 151/08.