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Lange Zahlungsziele sind passé! Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr in Kraft!

27. Dezember 2014

Der Gesetzgeber hat sich lange Zeit gelassen, eine EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges aus dem Jahre 2011 umzusetzen. Obwohl Deutschland die Vorgaben der EU bis März 2013 in nationales Recht hätte umsetzen müssen, ist dies erst jetzt zum 29.7.2014 durch das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr geschehen. Sowohl die EU-Richtlinie als auch ihre Umsetzung in das neue Gesetz dient vor allem dem Schutz von kleinen und mittleren Unternehmen, die durch überlange Zahlungsfristen und Zahlungsverzögerungen am schnellsten in wirtschaftliche Not geraten.
Die Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Praxis sind erheblich:

1. Beschränkung bei vertraglich vereinbarten Zahlungsfristen

Bei Vereinbarungen zu Zahlungsfristen unterscheidet das neue Gesetz zwischen individuellen Vereinbarungen und Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

a) Beschränkung im Rahmen einer Individualvereinbarung:

Selbst wenn Sie sich mit Ihrem Lieferanten / Auftragnehmer individualvertraglich auf eine Zahlungsfrist von mehr als 60 Tagen einigen, ist diese Vereinbarung nur wirksam, wenn Sie nachweisen können, dass die Vereinbarung ausdrücklich getroffen wurde und für Ihren Vertragspartner nicht grob unbillig ist. (§ 271a Absatz 1 BGB)
Ergänzender Hinweis: Für öffentliche Auftraggeber gilt ein noch strengeres Fristenregime. Hier ist die Zahlungsfrist von 60 Tagen die absolute Höchstgrenze. Mehr als 30 Tage darf die Frist nur betragen, wenn sie ausdrücklich vereinbart wurde und es hierfür eine besondere sachliche Rechtfertigung gibt.
Die Frist beginnt zu laufen mit Empfang der Gegenleistung, den Zugang der Rechnung nach Erbringung der Gegenleistung oder einem späteren, vom Lieferanten / Auftragnehmer benannten Zeitpunkt.

b) Beschränkungen im Rahmen von AGB

Vereinbarungen zu Zahlungsfristen im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen behandelt der Gesetzgeber noch strenger: Eine AGB-Klausel ist danach im Zweifel unangemessen und deshalb unwirksam, wenn sie eine Zahlungsfrist von mehr als 30 Tagen vorsieht! (§ 308 Nr.1a BGB)

2. Beschränkung bei vertraglich vereinbarten Überprüfungs- und Abnahmefristen

a) Beschränkung im Rahmen einer Individualvereinbarung:

Ist eine Forderung erst nach Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung zu erfüllen, was insbesondere bei Werkverträgen der Fall ist, und haben Sie mit Ihrem Lieferanten/ Auftragnehmer individualvertraglich eine Überprüfungs- oder Abnahmefrist von mehr als 30 Tagen vereinbart, so ist die Vereinbarung nur dann wirksam, wenn Sie nachweisen können, dass die Vereinbarung ausdrücklich getroffen wurde und für den Gläubiger nicht grob unbillig ist. Dies gilt ebenso für öffentliche Auftraggeber.

b) Beschränkungen im Rahmen von AGB

Auch hier hat der Gesetzgeber den zulässigen Spielraum gegenüber der Individualvereinbarung gerade mal halbiert: Längere Überprüfungs- oder Abnahmefristen als 15 Tage sind im Zweifel unwirksam!

3. Die Verzugszinsen sind gestiegen!

Bei Zahlungsverzug müssen Sie künftig mit höheren Forderungen als Ersatz für den Verzugsschaden rechnen. Der Verzugszinssatz hat sich von 8 auf 9 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz erhöht.

4. Schadenspauschale von 40 Euro

Erstmals eingeführt wurde der Anspruch auf eine Schadenspauschale in Höhe von € 40,00 im Falle des Zahlungsverzuges. Dieser Anspruch besteht auch bei verspäteten Abschlags- oder Ratenzahlungen.
Eine Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien, die den Anspruch auf Verzugszinsen und/oder die Pauschale ausschließt, ist unwirksam!

Geltung nur im b2b-Bereich!

Das neue Gesetz gilt nur für Geschäfte zwischen Unternehmen und nur für solche, die ab dem 28.7.2014 geschlossen werden.

Geltung für Dauerschuldverhältnisse

Bei bereits bestehenden Dauerschuldverhältnissen, beispielsweise bei Rahmenverträgen oder Wartungsverträgen findet das neue Gesetz Anwendung, wenn die Gegenleistung erst nach dem 30.6.2016 erbracht wird.
Beispiel: Sie haben letztes Jahr einen Wartungsvertrag abgeschlossen. In diesem Fall gelten die o.g. Regelungen für die Vergütung von Wartungsarbeiten, die nach dem 30.06.2016 erbracht wurden.

Praxishinweis:

Die Neuregelung lässt an Rechtssicherheit noch einiges missen:

Zum einen lässt sich weder der EU-Richtlinie, noch dem neuen Gesetz entnehmen, was genau unter einer „ausdrücklichen Vereinbarung“ zu verstehen ist. In andern Zusammenhängen hat der Bundesgerichtshof dem Ausdrücklichkeitserfordernis eine besondere Warnfunktion zugeschrieben. Dem geschützten Vertragspartner müsse „völlige Klarheit über die Rechtslage verschafft werden.“ Demnach ist wohl eine bewusste Erklärung beider Vertragspartner erforderlich. Eine konkludente oder stillschweigende Handlung dürfte jedenfalls nicht ausreichen.

Auch die Auslegung des Begriffes „grob unbillig“ bleibt der künftigen Rechtsprechung überlassen. Die Gesetzesbegründung verweist lediglich auf die Übersetzung aus der englisch sprachigen Fassung der Richtlinie, wo der Terminus „grossly unfair“ verwendet wird.
Weiterhin auslegungsbedürftig ist die Formulierung in § 308 Nr. 1a BGB, dass Zahlungsfristen in AGB von mehr als 30 Tagen „im Zweifel“ unwirksam sind. Zum Teil wird vertreten, dass diese Vermutung der Unwirksamkeit nicht eingreift, wenn der Vertragspartner des AGB-Verwenders die Klausel, etwa als Teil eines Rahmenvertrages, im Sinne des neuen § 271a BGB ausdrücklich, d.h. bewusst, bestätigt. Im Rahmen von Allgemeinen Einkaufsbedingungen dürfte es allerdings in der Regel an einer solchen ausdrücklichen Bestätigung fehlen. Welche Umstände ansonsten die Vermutung der Unwirksamkeit widerlegen könnten, wird ebenfalls die Rechtsprechung noch zu klären haben.
Solange sich die Rechtsprechung dieser neuen Auslegungsfragen noch nicht angenommen hat, bewegen Sie sich auf der sicheren Seite nur dann, wenn Sie im Rahmen von vorformulierten Regelungen, jedenfalls aber in Ihren Einkaufsbedingungen, Zahlungsfristen von allenfalls 30 Tagen regeln. Darüber hinaus gehende Zahlungsfristen sind als AGB im Zweifel unwirksam mit der Folge, dass die gesetzlichen Regeln greifen. Danach sind Geldschulden gemäß § 271 BGB sofort zu bewirken!
Die Vereinbarung von bis zu 60 Tagen Zahlungsfrist (oder bei „ausdrücklicher Vereinbarung“ ohne „grobe Unbilligkeit“ auch darüber hinaus) bleibt Individualvereinbarungen vorbehalten, wobei solche in der Praxis angesichts der hohen Anforderungen der Rechtsprechung an das „aushandeln“ tatsächlich ja nur äußerst selten vorkommen.