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Mängelanspruch-Verjährung – Endlich Klarheit in der Dauer-Diskussion mit Lieferanten

05. Juli 2007

6 Monate, 12 Monate, 2 Jahre, 5 Jahre oder sogar 30 Jahre?

Hier ist der Originaltext eines Lieferanten:

„… vielen Dank für die Rückgabe unserer Auftragsbestätigung vom 06.03.2007. Eine juristische Prüfung des Punktes ’2 Jahre Sachmängelhaftung gem. BGB’ ergab folgendes:

Bei dieser, gem. § 443 BGB, ’Garantie’ im rechtlichen Sinne, handelt es sich immer um eine freiwillige Leistung des Herstellers, verpflichtend ist nur die Haftung des Verkäufers für Mängel der Kaufsache.

Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche von 2 Jahren ist zwar im BGB als Regelfrist vorgesehen (§438 Abs. 1 BGB, diese kann aber im Geschäft zwischen Unternehmen im Wege vertraglicher Vereinbarung für neue Produkte bis auf 1 Jahr verkürzt werden (§ 309 Nr. 8 b, ff BGB).

Somit gilt, dass 2 Jahre gegeben werden können, aber nicht müssen. Nur im Geschäft mit privaten Endverbrauchern gilt die grundsätzliche Verpflichtung, eine Frist von 2 Jahren zu gewähren (Verbrauchsgüterkauf §§ 474, 475 II BGB).

Wir haben daher rechtens ein Angebot mit 12 Monaten Sachmängelhaftung erstellt, welches von Ihnen entsprechend beauftragt wurde (siehe Einzelheiten Pkt. 5: Die Garantie beträgt 12 Monate …)

Bitte haben Sie Verständnis, wenn wir auf dieser Basis o. g. Auftrag bearbeiten werden …“


Begriffliche Unklarheiten

Rein rechtlich geht es um die Verjährungsfrist von Mängelansprüchen, in der Praxis wird aber von Gewährleistung, Sachmängelhaftung, Gewährleistungszeit, Garantie, Garantiezeit, Garantiefrist, etc. gesprochen. Besonders riskant ist dieser Begriffswirrwarr allerdings für die Lieferantenseite.

Spricht der Verkäufer wie im abgedruckten Beispielschreiben nämlich von Garantie („Die Garantie beträgt 12 Monate…“), so läuft er Gefahr, dass seine Erklärung dem Wortlaut nach auch als Garantieerklärung ausgelegt wird.
Beachten Sie: Als Einkäufer können Sie sich dann über eine zusätzliche Garantie von 12 Monaten freuen. Sie haben gute Chancen, dass es bei der gesetzlichen 2-jährigen Verjährungsfrist geblieben ist.

Dem Lieferanten könnten Sie also antworten, dass mit der Vereinbarung „Die Garantie beträgt 12 Monate…“ keineswegs die gesetzliche Verjährungsfrist für Mängelansprüche verkürzt wurde, sondern der Lieferant Ihnen lediglich zusätzlich eine Haltbarkeitsgarantie von 12 Monaten gegeben hat!

Auch wenn noch nicht klar ist, wie die Gerichte eine solche Erklärung auslegen werden, haben Sie die besseren Argumente auf Ihrer Seite. Das Gesetz regelt seit der Schuldrechtsreform eindeutig, was unter einer Garantie zu verstehen ist. Außerdem ist in § 443 Abs. 1 BGB ausdrücklich geregelt, dass dem Käufer die Rechte aus der Garantieerklärung „unbeschadet der gesetzlichen Ansprüche“ zustehen. Ihr Anspruch aus der Garantie tritt demnach neben Ihre gesetzlichen Mängelansprüche.
Beachten Sie: Garantieerklärungen verkürzen niemals Ihre gesetzlichen Mängelansprüche!

Vereinbarungen wie „2 Jahre Gewährleistung“ oder „2 Jahre Sachmängelhaftung“ drücken noch am deutlichsten aus, dass es hierbei um die Verjährungsfrist für die gesetzlichen Mängelansprüche geht. Da das Gesetz aber seit der Schuldrechtsreform nicht mehr von Gewährleistung spricht, empfiehlt es sich zur Vermeidung von unnötigen Unklarheiten, die Worte des Gesetzes zu gebrauchen. Beispiel: „Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beträgt 2 Jahre.“

Gesetzliche Verjährungsfrist

Richtig ist die Aussage im Lieferantenbrief, dass die gesetzliche Verjährungsfrist für Mängelansprüche grundsätzlich 2 Jahre beträgt. Allerdings ist der nächste Satz:
„Bei dieser, gem. § 443 BGB ’Garantie’ im rechtlichen Sinne…“ schon wieder sehr verwirrend, da es bei der 2-jährigen Verjährungsfrist für Mängelansprüche gerade nicht um eine Garantie geht.

Kürzere Verjährungsfrist

Richtig ist dann wieder die Aussage des Lieferanten, dass zwischen 2 Unternehmen vertraglich die gesetzliche Verjährungsfrist von 2 Jahren auf 1 Jahr verkürzt werden kann. Geschieht dies im Wege einer Individualvereinbarung ist nur die Grenze des § 202 Abs. 1 BGB zu beachten, wonach die Verjährung im Falle vorsätzlichen Handelns nicht verkürzt werden darf.

Beachten Sie: Individualvereinbarung sind sehr selten in der Praxis, da bereits bei dreimaliger Verwendung derselben Formulierung eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) vorliegt.

Bisher noch ungeklärt ist dagegen die Frage, in wie weit der Lieferant die 2-jährige Verjährungsfrist im Wege einer AGB (z. B. in seinen Lieferbedingungen oder vorformulierten Standardverträgen) wirksam verkürzen kann. Gemäß § 309 Nr. 8 Buchstabe b ff. BGB darf diese Verjährungsfrist per AGB allenfalls um ein Jahr verkürzt werden.
Beachten Sie: Es ist jedoch bisher noch nicht gerichtlich entschieden, ob diese Regelung auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr Anwendung findet.

Überwiegend wird dies in der Literatur bejaht, manche halten im unternehmerischen Geschäftsverkehr sogar eine Verkürzung auf 6 Monate für wirksam. Jede Verkürzung der Verjährung ist zugleich auch eine Haftungsbeschränkung. Eine Haftungsbeschränkung ist aber gemäß § 309 Nr. 7 Buchstabe a und b BGB bei Ansprüchen, die den Ersatz von Körper- und Gesundheitsschäden beinhalten oder auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen, unzulässig. Insofern ist eine AGB-Klausel, welche die Verjährungsfrist auf 1 Jahr verkürzt dann unwirksam, wenn sie nicht explizit regelt, dass Ansprüche, die auf grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verhalten beruhen oder den Ersatz von Körper- und Gesundheitsschäden beinhalten nicht unter diese Regelung fallen (BGH Urteil vom 15.11.2006 – VIII ZR 3/06).

Praxis-Tipp: Beruft sich der Lieferant auf eine Verkürzung der Verjährungsfrist in seinen Lieferbedingungen, sollten Sie zunächst prüfen, ob seine Lieferbedingungen überhaupt Vertragsbestandteil geworden sind. In dem Fall sich kreuzender AGB (Ihr AGB-Hinweis in der Bestellung, der Lieferant verweist in der Auftragsbestätigung auf seine AGB) werden in der Regel weder die Einkaufs- noch die Verkaufsbedingungen Vertragsbestandteil. Stattdessen gilt dann das Gesetz, also eine Verjährungsfrist von 24 Monaten. In diesem Fall ist die Diskussion mit dem Lieferanten überflüssig.

Längere Verjährungsfrist

In wie weit Sie als Einkäufer die 2-jährige Verjährungsfrist vertraglich verlängern können, hängt davon ab, ob dies per Individualvereinbarung oder per AGB geschieht. Bei einer Individualvereinbarung sind Ihnen so gut wie keine Grenzen gesetzt. Sie dürfen die Verjährungsfrist bis zu einer Frist von 30 Jahren (§ 202 Abs. 2 BGB) beliebig verlängern, das Einverständnis Ihres Vertragspartners selbstverständlich vorausgesetzt. Wesentlich enger ist der Gestaltungsspielraum dagegen bei einer Allgemeinen Geschäftsbedingung. Hier stellt sich die Frage, wann die Grenze der unangemessenen Benachteiligung des Lieferanten i.S.d. § 307 BGB erreicht ist.
Beachten Sie: Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 05.10.2005 (ZGS 2006, S.26 ff.) bereits entschieden, dass die Verlängerung der 2-jährigen Verjährungsfrist auf 3 Jahre keine unangemessene Benachteiligung ist und hat eine solche Regelung in Einkaufsbedingungen für wirksam erklärt.

Praxis-Tipp: Für sämtliche Baustoffe und Bauteile wie z. B. Zement, Bauholz, Fenster, Dachplatten, Fliesen, beträgt die gesetzliche Verjährungsfrist sogar 5 Jahre (§ 438 Abs. 1 Nr. 2b BGB).