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Rechtliche Tücken beim Lieferverzug: Mehrkosten eines Deckungskaufs fallen nicht unter den Verzögerungsschaden!

10. Januar 2014

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs vom 03.07.2013 zeigt, was passieren kann, wenn Sie die gesetzlichen Unterschiede zwischen Verzögerungsschaden und dem sogenannten Schadensersatz statt der Leistung nicht beachten!

Hintergrund:

Befindet sich Ihr Lieferant mit seiner Lieferung in Verzug, haben Sie als Einkäufer mehrere Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Sie können entweder weiterhin auf Lieferung bestehen und den durch die verspätete Lieferung entstandenen Schaden vom Schuldner fordern oder den Vertrag beenden und die nicht gelieferte Ware gegebenenfalls bei einem anderen Unternehmen bestellen (sogenannter Deckungskauf).

Ihre Rechte, wenn Sie weiterhin auf Lieferung bestehen:

In diesem Fall können Sie von Ihrem Lieferanten neben der Vertragserfüllung Ersatz des gesamten Ihnen entstehenden Verzugsschadens verlangen (§§ 280 Abs. 1, 286 BGB). Als Verzugsschaden ist Ihrem Unternehmen jeder Schaden zu ersetzen, der durch die nicht rechtzeitige Lieferung bzw. Leistung herbeigeführt wurde (beispielsweise Produktionsausfallschäden, Kosten einer Ersatzmiete, Schadensersatzleistungen an eigene Kunden). Sie können den Verzugsschaden bereits dann geltend machen, wenn er entsteht oder aber auch warten, bis Ihr Lieferant geleistet hat und dann den gesamten entstandenen Schaden geltend machen. Liefert Ihr Lieferant schließlich, so sind Sie trotz der verspäteten Lieferung verpflichtet, diese abzunehmen, denn an den bestehenden Vertragspflichten hat sich allein durch den Verzug Ihres Lieferanten nichts geändert.

Ihre Rechte, wenn Sie den Vertrag beenden und einen Deckungskauf vornehmen möchten:

In diesem Fall müssen Sie dem in Verzug befindlichen Lieferanten zunächst eine angemessene Nachfrist zur Bewirkung der Leistung setzen! Genau hier liegt der wesentliche Unterschied zur erstgenannten Vorgehensweise, bei welcher Sie weiterhin auf Lieferung bestehen, denn zur Geltendmachung des reinen Verzögerungsschadens bedarf es einer Nachfristsetzung nicht!
Der Sinn der Nachfristsetzung im Falle der Beendigung des Vertrages liegt darin, dass dem Lieferanten noch eine letzte Chance eingeräumt werden soll, den Vertrag trotz der Verspätung selbst noch zu erfüllen. Aus dem Sinn der Nachfristsetzung ergibt sich bereits, dass eine Nachfrist nicht zu kurz bemessen sein darf. Der Schuldner muss eine reelle Möglichkeit haben, seine Leistung noch zu erbringen. Andererseits muss die Nachfrist nicht so lang bemessen sein, dass der Schuldner die Leistung innerhalb der Frist erst neu herstellen oder beschaffen kann. Erweist sich die Frist als zu kurz, so ist sie damit nicht völlig unwirksam, sondern setzt eine angemessene Frist in Lauf. Die Setzung der angemessenen Frist ist entbehrlich, wenn der Lieferant die Leistung endgültig und ernsthaft verweigert, was Sie dann im Streitfall allerdings beweisen müssten.

Nach Fristablauf können Sie vom Vertrag zurücktreten und/oder Schadensersatz statt der Leistung geltend machen. Hierunter fallen dann unter anderem auch die Mehrkosten eines von Ihnen vorgenommenen Deckungskaufs.
In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte der Käufer die beiden oben dargestellten Vorgehensmöglichkeiten „vermischt“: Er verlangte weiterhin Lieferung, nahm aber für den Verzugszeitraum einen Deckungskauf vor und wollte die Mehrkosten des Deckungskaufs vom Lieferanten ersetzt haben. Konkret war folgendes passiert:

Sachverhalt:

Der Käufer, eine Spedition, kaufte bei einem Lieferanten 2.000.000 l Biodiesel. Die Lieferungen sollten in der Zeit von April 2008 bis Ende September 2008 erfolgen. In den Monaten April und Mai 2008 lieferte der Lieferant dem Käufer insgesamt 355.495 l Biodiesel. Mit Schreiben vom 4. Juni 2008 teilte der Lieferant mit, dass sein Vorlieferant in Insolvenz gefallen sei und die Lieferungen an ihn eingestellt habe und er deshalb zu einer weiteren Belieferung des Käufers nicht mehr bereit sei. Dagegen klagte der Käufer und in dem entsprechenden Vorprozess wurde der Lieferant verurteilt, an den Käufer die noch ausstehenden 1.644.505 l Biodiesel zum vereinbarten Preis zu liefern. Der Lieferant nahm daraufhin die Lieferungen wieder auf. In der Zwischenzeit hatte sich der Käufer für den Zeitraum zwischen Ende Mai und Ende September 2008 mit Diesellieferungen unterschiedlicher Lieferanten eingedeckt. Da sich die Biodieselpreise gegenüber dem zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses vereinbarten Kaufpreis erhöht hatten, wendete der Käufer für diese Lieferungen 475.085,58 Euro mehr auf, als er bei Belieferung durch seinen ursprünglichen Lieferanten aufgrund des Kaufvertrages hätte aufwenden müssen. Diese Mehrkosten der Deckungskäufe klagte der Käufer in einem weiteren Prozess bei Gericht ein.

Urteil des Bundesgerichtshofs:

Während der Käufer bei Landgericht und Oberlandesgericht noch Erfolg hatte, verlor er beim Bundesgerichtshof, welcher die Zahlungsklage mit folgender Begründung zurückwies:

Bei den durch die Deckungskäufe entstandenen Mehrkosten handele es sich nicht um einen Verzögerungsschaden nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB , sondern um einen nur nach § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB ersatzfähigen Schaden statt der Leistung. Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung stehe dem Kläger aber nicht (mehr) zu, denn er habe die Beklagte im Vorprozess mit Erfolg auf Erfüllung des Kaufvertrages in Anspruch genommen und diese habe daraufhin die Lieferungen wieder aufgenommen.

Die Frage, ob der Käufer neben der Erfüllung die Mehrkosten eines eigenen Deckungsgeschäfts als Verzögerungsschaden beanspruchen kann, war bis zu diesem Zeitpunkt in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden.
Zwar hatte der Bundesgerichtshof in einer früheren Entscheidung entschieden, dass die Kosten eines Deckungskaufs neben der Vertragserfüllung als Verspätungsschaden geltend gemacht werden können. Dabei ging es aber um einen Deckungskauf, den nicht der Käufer selbst vorgenommen hatte, sondern dessen Abnehmer, welchen der Käufer in Folge des Verzuges seines Lieferanten ebenfalls nicht rechtzeitig beliefern konnte. Dieser Käufer wurde von seinem Abnehmer mit den insoweit entstandenen Mehrkosten belastet und konnte diese Kosten folglich als Verzögerungsschaden vom Verkäufer ersetzt verlangen. Im konkreten Fall ging es hingegen um die Frage, ob der Käufer neben der Erfüllung Ersatz der Mehrkosten eines eigenen Deckungskaufs als Verzögerungsschaden verlangen kann. Dies jedoch lehnte der Bundesgerichtshof ab. Bei derartigen Kosten handele es sich nicht um einen Verzögerungsschaden, sondern um einen Schaden, der an die Stelle der Leistung tritt. Zwar hätten die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung zunächst vorgelegen, weil der Lieferant die Vertragserfüllung endgültig verweigert hatte und es deshalb keiner Fristsetzung mehr bedurfte. Doch dann hatte der Käufer die Lieferung eingeklagt. Der Käufer könne aber selbstverständlich nicht beides – Lieferung und Schadensersatz statt der Leistung – verlangen. Deshalb erlösche der Anspruch des Käufers auf die Leistung, wenn er statt der Leistung Schadensersatz verlangt (§ 281 Abs. 4 BGB). Umgekehrt schließe aber auch die Erfüllung, auf die der Käufer den Lieferanten erfolgreich in Anspruch genommen habe, einen Anspruch auf Erstattung von (Mehr-)Kosten eines zuvor getätigten eigenen Deckungsgeschäftes aus.

Ein tragendes Argument des Bundesgerichtshofs für seine Entscheidung war auch folgende „Billigkeits“-Erwägung: Wären die Kosten des Deckungskaufs neben der Vertragserfüllung als Schadensersatzanspruch denkbar, würde der Käufer so gestellt, als habe er Anspruch auf die zweifache Menge des Biodiesels zu dem ursprünglich vertraglich vereinbarten Preis. Dies sei unbillig.

Praxishinweis:

In der Praxis kommt es gar nicht so selten vor, dass der Käufer im Falle des Lieferverzuges zwar weiterhin von seinem Lieferanten beliefert werden möchte, aber sich zur Vermeidung erheblicher Verzugsschäden gezwungen sieht, die Ware für den Verzugszeitraum woanders zu beschaffen. Im Hinblick auf das oben dargestellte Urteil des Bundesgerichtshofs sollten Sie in diesem Fall versuchen, mit Ihrem Lieferanten eine schriftliche Vereinbarung darüber zu treffen, dass Sie zur Vermeidung weiterer Folgeschäden die Ware über den Verzugszeitraum von einem anderen Lieferanten beziehen und berechtigt sind, Ihrem Lieferanten die Mehrkosten dieses Deckungskaufs zu berechnen. Ansonsten laufen Sie Gefahr, hinsichtlich Ihrer Mehrkosten leer auszugehen.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 03.07.2013 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens VIII ZR 169/12.