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Unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen: Wer trägt die Untersuchungskosten?

18. August 2008

Ausgangslage:

Der Käufer hat seinen Lieferanten zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Der Lieferant schickt einen seiner Techniker zur Mängelbeseitigung. Dabei stellt sich heraus, dass die Mängelrüge unberechtigt war, weil nicht das vom Lieferant gelieferte Produkt mangelhaft war, sondern z.B. ein dem Käufer zuzurechnender Bedienungs- oder Wartungsfehler vorlag. Der Lieferant verlangt nunmehr Ersatz der von ihm aufgewendeten Untersuchungskosten.

Ob ein Käufer /Unternehmer Schadensersatz wegen unberechtigter Mängelrüge beanspruchen kann, wurde bisher kontrovers diskutiert.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.01.2008:

Nunmehr hat der BGH entschieden, dass ein unberechtigtes Mängelbeseitigungsverlangen von Seiten eines Käufers eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung darstellt. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass der Käufer erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache für das Symptom, hinter der er einen Mangel vermutet, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt.

Sachverhalt:

Dem Urteil des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Elektroinstallationsunternehmen hatte vom Verkäufer eine Lichtrufanlage gekauft, mit der von Krankenbetten aus Rufsignale an das Pflegepersonal gesendet werden können. Diese Anlage baute der Käufer in den Neubautrakt eines Altenheims ein, wobei auch eine Verbindung zur bereits bestehenden Rufanlage im Altbau herzustellen war. Auf eine Störungsmeldung des Altenheims prüfte der Käufer die Anlage, konnte aber die Störung nicht beseitigen. Er vermutete den Mangel deshalb an der Anlage und forderte den Verkäufer zur Mängelbeseitigung auf. Bei Überprüfung durch den Verkäufer stellte sich heraus, dass Ursache der Störung die Unterbrechung der Kabelverbindung zwischen der alten und neuen Rufanlage war. Die gekaufte Anlage selbst war mangelfrei. Der Verkäufer verlangte deshalb vom Käufer Ersatz der Überprüfungs- und Mängelbeseitigungskosten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH verurteilte den Verkäufer zur Zahlung der Überprüfungs- und Störungsbeseitigungskosten mit folgender Begründung:

Für den Käufer liege es auf der Hand, dass von ihm geforderte Mangelbeseitigungsarbeiten aufseiten des Verkäufers einen nicht unerheblichen Kostenaufwand verursachen können. Die im Rahmen eines Vertragsverhältnisses gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners erfordere deshalb, dass der Käufer vor Inanspruchnahme des Verkäufers im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig prüfen müsse, ob der behauptete Mangel in seiner eigenen Sphäre liege. Diese Pflicht habe der Käufer im vorliegenden Fall verletzt. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der Käufer erkennen können, dass die Ursache der Störung möglicherweise auch in der von ihr selbst vorgenommenen Verbindung zwischen der alten und neuen Rufanlage liegen konnte.

Aufschlussreich ist auch die weitere Konkretisierung der Prüfungspflichten des Käufers durch den BGH:

Der Käufer brauche nicht vorab zu klären und festzustellen, ob die von ihm beanstandete Erscheinung Symptom eines Sachmangels ist. Er müsse lediglich im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig überprüfen, ob sie auf eine Ursache zurückzuführen ist, die nicht dem Verantwortungsbereich des Verkäufers zuzuordnen ist. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, dürfe der Käufer Mängelrechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstelle.

Ergänzender Hinweis:

Der Unternehmer kann im Falle unberechtigter Mängelrüge auf jeden Fall die Untersuchungs- und Mängelbeseitigungskosten vom Auftraggeber ersetzt verlangen, wenn er vor Tätigwerden ausdrücklich erklärt hat, dass er für den Fall, dass die Mangelursache nicht aus seinem Verantwortungsbereich herrührt, eine Kostenerstattung verlangt. (so auch LG Kassel, Urteil vom 01.02.2008 in IBR 2008, 209)

Auswirkungen auf die Einkaufs-/Verkaufspraxis:

Das Urteil dürfte über das Kaufvertragsrecht hinaus auch für das Werkvertragsrecht erhebliche Auswirkungen auf den Umgang mit Mängelrügen haben. Es ist anzunehmen, dass der BGH an das Mängelbeseitigungsverlangen auf Grundlage eines Werkvertrages die gleichen Prüfungsanforderungen an den Auftraggeber stellen wird, wie bei einem Kauf an den Käufer. Um späteren Schadensersatzforderungen vorzubeugen, wird der Auftraggeber / Käufer künftig vor jeder Mängelrüge selbst zu prüfen haben, ob die Mangelursache aus seinem eigenen Verantwortungsbereich stammt.

Die Entscheidung des BGH ist im Internet abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de unter „Entscheidungen“ und dort unter dem Aktenzeichen VIII ZR 246/06):

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