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Wann liegt eine echte Individualvereinbarung vor? – Wege zur Vermeidung der AGB-Kontrolle

30. Januar 2007

Beim sog. Kleingedrucktem wie Allgemeinen Einkaufsbedingungen, Verkaufsbedingungen oder Baubedingungen ist Ihnen wahrscheinlich klar, dass es sich hierbei um Allgemeine Ge-schäftsbedingungen (AGB) im Sinne des AGB-Rechtes (§§ 305 ff. BGB) handelt. Doch was gilt für Ihre Regelungen aus Ihren Rahmenverträgen oder Ihren Verhandlungsprotokollen? Handelt es sich hierbei auch um Allgemeine Geschäftsbedingungen? Da die in Rahmenver-trägen und Verhandlungsprotokollen enthaltenen Regelungen in der Regel spezieller auf das konkrete Produkt bzw. konkrete Projekt zugeschnitten sind liegt die Vermutung erst einmal nahe, dass es sich hierbei um Individualvereinbarungen handelt. Dass dieser erste Anschein trügt, wird klar, wenn man sich die Definition von AGB in § 305 BGB betrachtet. § 305 BGB verlangt das Vorliegen von folgenden vier Voraussetzungen, damit eine AGB vorliegt:

• Es muss sich um eine Vertragsbedingung handeln, die
• vorformuliert ist und
• für eine Vielzahl von Fällen verwendet wird und
• von einer Seite der anderen Seite bei Vertragsabschluss gestellt worden ist.

Das Erfordernis der „Vielzahl von Fällen“ ist nach der Rechtsprechung immer schon dann erfüllt, wenn die Bedingungen mindestens in drei Fällen verwendet wurden. Es genügt aber auch schon die erstmalige Verwendung, wenn der Verwender schon zu diesem Zeitpunkt die Absicht hatte, die von ihm formulierten Klauseln wiederzuverwenden. „Von einer Seite der anderen Seite gestellt“ bedeutet lediglich, dass ein Vertragspartner, der sogenannte Ver-wender, seine Vertragsbedingungen dem anderen Vertragspartner bei Vertragsabschluss vorlegt.

Die dargelegte Begriffsbestimmung von AGB zeigt, dass vertragliche Vereinbarungen sehr schnell AGB-rechtlichen Charakter haben, nämlich immer schon dann, wenn dieselbe For-mulierung mehr als zwei bis drei mal verwendet wird. Damit unterfallen sämtliche Stan-dardverträge, Textbausteine, etc. dem AGB-Recht !!. Da z.B. auch Rahmenverträge in der Regel auf Standardformulierungen beruhen, sind die darin enthaltenen Regelungen sehr häufig auch Allgemeine Geschäftsbedingungen. Auch vorgefertigte standardisierte Regelun-gen aus Vergabeprotokollen sind damit grundsätzlich AGB.
Die Folge ist, dass sämtliche dieser standardisierten Regelungen hinsichtlich ihrer Wirksam-keit einer strengeren Kontrolle unterliegen, als dies bei einer Individualvereinbarung der Fall ist.
Warum die Unterscheidung zwischen AGB und Individualvereinbarung so wichtig ist!
Während eine Individualvereinbarung nur dann unwirksam ist, wenn sie sittenwidrig ist oder gegen zwingende Gesetze verstößt (z.B. gegen Strafgesetze oder Regelungen aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB), ist eine Allgemeine Geschäftsbedin-gungen bereits dann unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine solche unangemessene Benachteiligung ist wesentlich schneller gegeben als eine Sittenwidrigkeit. Mit anderen Worten: Sie können wesentlich stär-ker von den Regelungen z.B. des Bürgerlichen Gesetzbuches oder Handelsgesetzbuches abweichen, wenn diese Abweichung im Wege einer Individualvereinbarung geschieht, als wenn sie in Form einer AGB geschieht.
Beispiele: Sie wollen eine Vertragsstrafe mit einer Höchstgrenze von 10 % vereinbaren. Als Individualvereinbarung wäre dies wirksam, als Allgemeine Geschäftsbedingung wäre die gesamte Vertragsstraferegelung unwirksam, da die Vereinbarung einer Höchstgrenze von über 5% nach der Rechtsprechung des BGH eine unangemessene Benachteiligung darstellt. Oder: Sie wollen die gesetzliche Verjährungsfrist für Ihre Mängelansprüche aus dem Kauf-vertrag auf fünf Jahre verlängern. Als Individualvereinbarung ist dies wirksam, als Allgemeine Geschäftsbedingung allerdings mit größter Wahrscheinlichkeit unwirksam, weil die Verlänge-rung der gesetzlich vorgesehenen zweijährigen Verjährungsfrist auf mehr als das Doppelte eine wesentliche Benachteiligung des Lieferanten gegenüber dem Gesetz darstellt.

Ergänzender Hinweis: die Verlängerung der Verjährungsfrist auf 36 Monate ist vom BGH auch als AGB noch als zulässig angesehen worden.

Auswege aus der AGB-Kontrolle:
Was können Sie nun tun, um die strenge AGB-Kontrolle zu vermeiden? „Leider“ gibt es kei-nen „Trick 17“, aus Ihren Standartformulierungen generell Individualvereinbarungen zu ma-chen. Sämtliche Versuche aus der Praxis hierzu sind bisher gescheitert, z.B. Textbausteine einfach als Individualvereinbarungen zu benennen oder ein standardisierter Passus in Ver-handlungsprotokollen, dass alle Regelungen ausgehandelt worden seien. Selbst handschrift-liche Eintragungen in Verhandlungsprotokollen sind AGB, wenn Sie hierbei mehr als zwei mal die selbe Formulierung verwenden. Es bleibt Ihnen im Grunde nichts anderes übrig als weiterhin Ihre Standartformulierungen zu verwenden und dabei zu versuchen, die Grenze der unangemessenen Benachteiligung nicht zu überschreiten. Sie können aber hinsichtlich einzelner Regelungen, die Ihnen besonders wichtig sind (z.B. erhebliche Verlängerung der Verjährungsfristen, Ausschluss oder Einschränkung der Wareneingangskontrolle, Vertrags-strafen) versuchen, diese der AGB-Kontrolle zu entziehen. Hierzu gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten:

  1. Ausweg: Individuell formulieren! Um den AGB-Charakter zu vermeiden, müssten Sie Ihre gewünschte Regelung individuell formulieren, also nicht auf eine Standardformulierung zurückgreifen. Das ist zugegebenermaßen aufwendig!
    Ergänzender Hinweis: Nur das Ausfüllen von Lücken macht die Regelung allerdings noch nicht individuell, solange der Grundtext standardisiert ist.

  2. Ausweg: „Klausel aushandeln“!
    Allgemeine Geschäftsbedingungen fallen dann nicht unter das AGB-Recht, wenn sie im ein-zelnen ausgehandelt worden sind (§ 305 Abs. 2 BGB). In diesem Fall wird aus der AGB eine Individualabrede, die der Inhaltskontrolle des AGB-Rechtes nicht unterliegt.
    Wann ist eine AGB ausgehandelt?

An das Merkmal „Aushandeln“ werden von der Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen gestellt. So genügt es nicht, dass die AGB verhandelt wurde oder dass sie dem Vertrags-partner bekannt ist, nicht auf Bedenken stößt oder ihr Inhalt erläutert oder erörtert wurde.
Vielmehr erfordert ein „Aushandeln“ im Sinne des § 305 Abs. 2 BGB, dass der Verwender der AGB dem Vertragspartner tatsächlich die Möglichkeit der Einflussnahme auf die inhaltliche Ausgestaltung der AGB gegeben hat, d.h. die jeweilige Klausel inhaltlich zur Disposition gestellt hat. Nach der Rechtsprechung ist eine solche Abänderungsbereitschaft von Seiten des Verwenders der AGB in der Regel dann anzunehmen, wenn an dem vorformulierten Text Änderungen vorgenommen worden sind.
Beweislast für das Vorliegen einer Individualabrede
Die Beweislast dafür, dass eine Klausel individuell ausgehandelt wurde, trägt der Verwender der AGB, also der Vertragspartner, welcher dem Vertrag seine AGB zugrundegelegt hat.
Vor allem im Hinblick auf die hohen Anforderungen, welche die Rechtsprechung an das Vor-liegen einer Individualabrede stellt, ist es in Praxis sehr schwierig, ein Aushandeln im Sinne des § 305 Abs. 2 BGB zu beweisen.

TIPP: Haben Sie mit dem Vertragspartner bestimmte Klauseln Ihrer AGB im Einzelnen aus-gehandelt, sollten Sie dies schon bei den Vertragsverhandlungen beweissicher festhalten. So empfiehlt es sich z.B., bereits im Verhandlungsprotokoll vom Vertragspartner bestätigen zu lassen, dass die jeweilige Klausel des Vertrages Gegenstand eingehender Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern war und dem Vertragspartner die Möglichkeit eingeräumt worden war, die Klausel inhaltlich umzugestalten. Dabei sollten möglichst die erörterten Änderungen in das Protokoll aufgenommen werden. Dies gilt umso mehr, wenn die jeweils ausgehandelte Klausel letztendlich unverändert übernommen wurde. Des weiteren ist es sinnvoll, nicht nur die endgültige Fassung des Vertrages aufzubewahren, sondern auch den Schriftverkehr bis zum Abschluss des Vertrages, da sich oft erst anhand des Schriftverkehrs vorgenommene Änderungen an vorformulierten Bedingungen beweisen lassen.
Wirkung einer ausgehandelten Klausel auf das Gesamtwerk
„Ausgehandelt“ werden in der Regel nur bestimmte Klauseln aus einem Vertragswerk. In diesem Fall entfällt die AGB-Kontrolle nur bezüglich der jeweils ausgehandelten Klausel, während das Klauselwerk im Übrigen der AGB-Kontrolle unterworfen bleibt.
Im Einzelfall kann allerdings bei Abänderung einer zentralen Klausel von dieser Klausel eine sog. Ausstrahlungswirkung auf andere ausgehen, wenn sich das Aushandeln auch auf die mit der abgeänderten Klausel sachlich im Zusammenhang stehen AGB-Klauseln erstreckt hat.
Aktuelle Rechtsprechung: Eine allgemein geäußerte Bereitschaft, Vertragklauseln auf An-forderung des Vertragspartners zu ändern, erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Aushan-delns der konkreten Klausel (BGH, Urteil vom 14.04.2005 – VII ZR 56/04, BauR 2005, S.1154 f.)
Dies zeigt, dass Sie nicht das Gesamtvertragswerk als solches, sondern jeweils nur einzelne konkrete Regelungen zur Disposition stellen können!
Tipp: Greifen Sie die Regelung, die Ihnen besonders wichtig ist und wo die Gefahr einer unangemessenen Benachteiligung besteht, aus dem Gesamtvertrag heraus und stellen Sie diese dem Vertragspartner explizit zur Disposition. Dies birgt zwar die Gefahr in sich, dass Sie „schlafende Hunde wecken“, aber dafür können Sie sich auf die Wirksamkeit dieser Re-gelung dann auch verlassen.

  1. Ausweg: den Vertragspartner formulieren lassen.
    Die dritte Möglichkeit der AGB-Kontrolle zu entgehen, ist es, die gewünschte Regelung von Ihrem Vertragspartner formulieren zu lassen. In diesem Fall sind nicht Sie sondern Ihr Ver-tragspartner Verwender dieser Formulierung! Dann kommen Sie mit dem AGB-Recht hin-sichtlich dieser Regelung nicht in Konflikt, denn das AGB-Recht überprüft immer nur den Verwender einer Klausel. Allerdings bleiben Sie natürlich Verwender einer Regelung, wenn Sie Ihrem Vertragspartner die gewünschte Formulierung vorgeben.

Fazit:

Letztlich sind alle drei aufgezeigten Auswege aus der AGB-Kontrolle aufwendig und mit Nachteilen verbunden. Allerdings kann sich der Aufwand in Einzelfällen durchaus lohnen. Wenn Sie z.B. keine Wareneingangskontrolle durchgeführt haben, so können Sie Ihre Män-gelansprüche nur dann sicher durchsetzen, wenn hinsichtlich des vertraglich geregelten Ausschlusses der Wareneingangskontrolle die AGB-Kontrolle nicht greift!
Das AGB-Recht ist umgekehrt natürlich für Sie von Vorteil, wenn Ihr Vertragspartner vorfor-mulierte Regelungen zum Vertragsbestandteil macht. So unterliegen z.B. vorformulierte Haf-tungsbeschränkungen einer sehr strengen Inhaltskontrolle, die Ihnen dann im Streitfalle zu-gute kommen würde.