Wo liegt der Erfüllungsort der Nacherfüllung? Muss der Verkäufer die Nacherfüllung beim Käufer vornehmen oder muss der Käufer die mangelhafte Sache zum Verkäufer bringen? – Der BGH hat entschieden!
In einem hoch brisanten Urteil hat der Bundesgerichtshof eine Entscheidung zu der ausgesprochen praxisrelevanten Frage getroffen, an welchem Ort der Verkäufer einer mangelhaften Sache die zur Mangelbeseitigung geschuldete Nacherfüllung vornehmen muss.
Sachverhalt:
Die in Frankreich wohnhaften Kläger erwarben bei der in Polch (Deutschland) ansässigen Beklagten einen neuen Camping-Faltanhänger. In der Auftragsbestätigung heißt es “Lieferung: ab Polch, Selbstabholer”. Dennoch lieferte die Verkäuferin den Anhänger an den Wohnort der Käufer. In der Folgezeit rügten die Käufer verschiedene Mängel und forderten die Verkäuferin unter Fristsetzung auf, den Faltanhänger abzuholen und die Mängel zu beseitigen. Nachdem dies bis Fristablauf nicht geschehen war, erklärten die Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit ihrer Klage haben die Käufer Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Faltanhängers sowie Erstattung von Rechtsanwaltskosten begehrt. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Oberlandesgericht entschied weniger käuferfreundlich und wies die Klage ab.
Entscheidung des BGH:
Der BGH folgte im Ergebnis dem OLG und entschied, dass die Käufer den Camping-Faltanhänger zum Sitz des Verkäufers hätten bringen müssen und deshalb der Rücktritt vom Vertrag unwirksam war.
In seiner Urteilsbegründung stellte der BGH folgende für Sie als Einkäufer wichtige Grundsätze zum Erfüllungsort der Nacherfüllung auf:
- Für die Frage, wo sich der Erfüllungsort der Nacherfüllung befindet, sind in erster Linie die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen entscheidend.
- Fehlen vertragliche Vereinbarungen über den Erfüllungsort der Nacherfüllung, ist auf die jeweiligen Umstände, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen.
- Wenn sich auch aus diesen Umständen keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen lassen, ist der Erfüllungsort der Nacherfüllung letztlich der Ort, an welchem der Lieferant zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz bzw. seine gewerbliche Niederlassung hatte.
Der BGH stützt seine Entscheidung und die oben genannten Grundsätze auf § 269 Abs. 1 BGB, welcher generell den Erfüllungsort für Leistungen regelt:
„(1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Orte zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.“
Dies bedeutet, dass bei fehlender vertraglicher Vereinbarung am Ende der Ort der Nacherfüllung meist beim Verkäufer liegt – wenn auch nicht immer.
Zu den beim Fehlen vertraglicher Vereinbarungen maßgebenden Umständen gehören nach Auffassung des BGH die Ortsgebundenheit und die Art der vorzunehmenden Leistung, die Verkehrssitte, örtliche Gepflogenheiten und eventuelle Handelsbräuche. Zu berücksichtigen sei hierbei auch das Ausmaß der Unannehmlichkeiten, welche die Nacherfüllung für den Käufer mit sich bringt. Letzteres folge aus den Vorgaben der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, nach deren Art. 3 Abs. 3 die Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss. In vielen Fällen – so der BGH – sei der Erfüllungsort der Nacherfüllung nach den Umständen des Falls am Sitz des Verkäufers anzusiedeln. Bei Geschäften des täglichen Lebens, etwa beim Kauf im Ladengeschäft, entspräche es der Verkehrsauffassung, dass die Kunden ihre Reklamation regelmäßig unter Vorlage der mangelhaften Ware am Sitz des Verkäufers vorbringen. Beim Fahrzeugkauf erfordere die Nachbesserung i.d.R. technisch aufwändige Diagnose- oder Reparaturarbeiten des Verkäufers, die wegen der dort vorhandenen materiellen und personellen Möglichkeiten sinnvoll nur am Betriebsort des Händlers vorgenommen werden könnten. Anders sei dies dagegen in den Fällen zu sehen, in denen es um die Nachbesserung von Gegenständen geht, die der Käufer an ihrem Bestimmungsort auf- oder eingebaut hat, oder in denen ein Rücktransport aus anderen Gründen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zu bewerkstelligen wäre.
Da es in dem vom BGH entschiedenen Fall keine vertragliche Vereinbarung zum Erfüllungsort der Nacherfüllung gab, würdigte der BGH die Umstände des Falles entsprechend den dargestellten Grundsätzen und kam dabei zu folgendem Ergebnis: Die Beseitigung der von den Käufern gerügten Mängel des Camping-Faltanhängers erfordere – ähnlich wie die Vornahme von Reparaturen bei Kfz – den Einsatz von geschultem Personal und Werkstatttechnik. Dies mache grundsätzlich die Verbringung des Anhängers in eine mit geeigneten Vorrichtungen ausgestattete Werkstatt des Verkäufers notwendig. Für die Käufer stelle es auch keine erhebliche Unannehmlichkeit dar, den Anhänger an den Firmensitz der Verkäuferin zu verbringen. Der Sitz der Verkäuferin liege nicht so weit vom Wohnort der Käufer entfernt, dass ein Transport des Anhängers zwischen diesen beiden Orten der Käuferin nicht zuzumuten wäre, zumal sich die Käufer auch beim Kauf des Anhängers ursprünglich für eine Selbstabholung entschieden hatten. Nach den Umständen sei die von den Käufern verlangte Nacherfüllung daher am Sitz der Verkäuferin zu erfüllen, so dass die Käufer den Anhänger zum Zwecke der Nacherfüllung dorthin hätten verbringen müssen.
Wichtiger Hinweis: Auch wenn der Erfüllungsort beim Verkäufer liegt können Sie vom Verkäufer Ersatz der Transportkosten verlangen!
Die Entscheidung des BGH, dass im Zweifel der Erfüllungsort der Nacherfüllung beim Verkäufer liegt, wenn sich nicht aus der vertraglichen Vereinbarung oder den Umständen des Einzelfalles etwas anderes ergibt, ist nicht sehr käuferfreundlich. Aber das Urteil lässt auch den salomonischen Ausgleich nicht missen: Zwar muss der Käufer die Kaufsache in diesem Fall zum Verkäufer bringen, d.h. bei ihm fallen zunächst die erforderlichen Transport- bzw. Versandkosten an. Der Käufer kann jedoch vom Verkäufer die Erstattung dieser Kosten verlangen. Diesen Ersatzanspruch stützt der BGH auf § 439 Absatz 2 BGB, wonach der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen hat. Und er liefert hierzu auch noch gleich einen wichtigen Tipp für den Käufer mit: „ Der Käufer kann entweder einen Vorschuss für die Transportkosten verlangen oder den Verkäufer vorab darüber informieren, welche Art des Transports er beabsichtigt und welche Kosten hierdurch voraussichtlich entstehen. Bietet der Verkäufer keine günstigere Alternative an, so kann er einem Ersatzanspruch des Käufers später nicht entgegenhalten, die von diesem aufgewendeten Kosten seien nicht erforderlich gewesen.“
Lässt sich das Urteil des BGH auf den b2b –Bereich übertragen?
In seiner Urteilsbegründung bezog sich der BGH auch mehrfach auf die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, welche zum Schutz des Verbrauchers vorsieht, dass die Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss. Es fragt sich deshalb, ob das Urteil des BGH uneingeschränkt auch für den b2b –Bereich übertragen werden kann. Hierzu hat der BGH eine klare Aussage getroffen: „Da der deutsche Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, die Vorgaben der Richtlinie nicht isoliert für den Verbrauchsgüterkauf umzusetzen, sondern im Wesentlichen das gesamte Kaufrecht nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie auszugestalten, beschränkt sich diese richtlinienkonforme Auslegung nicht auf Kaufverträge mit Verbrauchern, sondern gilt für alle Käufer.“
Damit lassen sich die vom BGH zum Erfüllungsort der Nacherfüllung aufgestellten Grundsätze uneingeschränkt auch auf Einkaufsverträge zwischen Unternehmen übertragen.
Ergänzender Hinweis:
Für das Werkvertragsrecht hat der BGH mit Urteil vom 08.01.2008 (Az. X ZR 97/05) anders entschieden: Im Falle eines Werkvertrages ist bei Fehlen anderweitige Absprachen der Parteien im Zweifel die Nachbesserung dort zu erbringen, wo das nachzubessernde Werk sich vertragsgemäß befindet.
Praxistipp:
Da es nach dem Urteil des BGH in erster Linie auf die vertraglichen Vereinbarungen ankommt, empfiehlt es sich, den Erfüllungsort der Nacherfüllung explizit im Vertrag so genau wie möglich zu vereinbaren. Auch hier gilt im Hinblick auf unser strenges AGB-Recht die bewährte Regel: Je individueller die Vereinbarung desto besser!
Die Entscheidung des BGH vom 13.04.2011 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de, dort unter Entscheidungen unter Angabe des Aktenzeichens VIII ZR 220/10.
David Huber schreibt am 10. Mai 2012:
Danke für die schöne Zusammenfassung. Ergänzend sei noch hinzuzufügen, dass der BGH darauf hingewiesen hat, dass selbst wenn der Verkäufer – wie im vorliegenden Fall – auf seine Kosten die Sache an den Wohnort des Käufers liefert nicht zwangsläufig eine Schickschuld vorliegt. Erfüllungs und Leistungsort bleibt demnach der Wohnort des Verkäufers (siehe § 269 III BGB)